Maeve
Einschienenbahn.
Die Straße teilt sich dort; ein Weg geht zum Hafen, und der andere zur Sternenstraße. Und der Rest der Stadt ist gefährlich für mich. Ich sollte mich davon fernhalten.”
Er schaute hinunter: Seine Finger spielten an der Ruderpinne herum, zupften am Tau. Dann hob er den Kopf. „Wirf das Tau aus, Aleytys.” Als das Boot vom Kai wegglitt, rief er aus: „Gute Reise.”
Während er das Boot gemächlich in die Strömung zurücktreiben ließ, sah er ihr nach, wie sie die Klippe hinaufstieg, sich von einer Etage zur nächsten hochbewegte, immer wieder zurückschaute, wobei ihr Körper kleiner und kleiner wurde, bis das letzte Detail, das er ausmachen konnte, das glänzende Rotgold ihres Haares war. Sie hielt einen Moment inne, als sie den höchsten Punkt erreichte, winkte ein letztes Mal, verschwand dann.
Gwynnor rieb die Hände übers Gesicht, machte sich dann forsch an die Arbeit und ließ die Spiere herumschwingen, um aus dem Rückenwind größten Vorteil zu ziehen.
Es war sehr früh, die Sonne ein Fingernagelschnippsel am Horizont hinter ihm. Die morgendliche Seebrise war frisch und beständig, wehte vom Ozean landwärts, nach Westen, wohin er wollte. Er wickelte die Segelleinen um einen Pflock und ließ sich am Ruder nieder, hielt nach Aststümpfen und Sandbänken Ausschau, obwohl die Gesellschaft diesen Teil des Flusses ausgebaggert hielt. Sie wollten ihr Gemüse und ihr Fleisch frisch und in Hülle und Fülle.
Er kicherte. Vor weniger als einem Monat hätte er in diesem Ausbaggern nur Böses gesehen. Eine Zerstörung von Dingen, wie sie immer gewesen waren. Er fühlte sich gewaltig älter, sogar weiser, obwohl ihn dies ein wenig über sich selbst lächeln ließ. Aber er hatte sich verändert, und er fühlte, daß diese Veränderung eine Verbesserung war.
Der Morgen verging angenehm und rasch. Kurz vor Mittag erreichte er die Anlegestelle von Derwyn Grawh, seinem Heimatdorf. Er legte im Schatten eines Paares uralter, knorriger Eichen an, zwei von den vielen, die dem Dorf seinen Namen gaben.
Nachdem er sich vergewissert hatte, daß das Boot ordentlich dicht am Ufer vertäut war, warf er das Bündel über die Schulter und schlenderte langsam auf dem hellen, gelbbraunen Sand der gefurchten Straße entlang.
Die Straße wand sich um die Pflanzung von Cyforedd-Bäumen, die in einem sanften Bogen zwischen Fluß und Dorf eingesetzt waren, um die Leute vor den Launen umherstreifender Wasserdämonen zu schützen. Der trockene, herbe Geruch ihrer flatternden Büschel aus langen, dünnen, grüngrauen Nadeln, ihre pa-pierne, rissige Rinde brachte eindringliche und schmerzliche Erinnerungen zurück.
Er hielt an dem der Straße nächstgelegenen Baum an und berührte ihn; das sollte Glück bringen. Den Rücken zum Dorf gekehrt, verweilte er dort, löste kleine Bruchstücke poröser Rinde ab, schnupperte mit schmerzlichem Vergnügen den scharfen, bei
ßenden Geruch der Nadeln in sich hinein. Zu viele harte Worte waren gesagt worden, als er ging, Worte, die jetzt schwer ungesagt zu machen waren.
Aber die Zeit verging. Mit einem Schulterzucken zog er das Bündel ein wenig höher auf die Schulter, machte einen tiefen Atemzug, trat dann wieder in die Straßenmitte.
An der ersten Kehre bog er ab. Rhisiarts Haus. Gwynnor runzelte die Stirn. Die Jorweg-Ranke, die über die grobe Natursteinmauer kletterte, war zerrissen und braun verfärbt. An einer Stelle war sogar die Mauer selbst zerrissen, die heruntergefallenen Steine lagen wahllos herum, manche sogar draußen, auf der Straße.
Das Tor war zerstört, und nur die unteren Scharniere hielten die zertrümmerten, verkohlten Bretter einigermaßen aufrecht. Und Unkraut wucherte zwischen den Schwertlilien, die am Haus entlang bis zur Schmiede gepflanzt waren. Unkraut? In Rhisiarts Hof? Modlen würde nie … Modlen? Plötzlich fühlte er ein kaltes Erstarren in seinem Innersten, er ging weiter, schritt schneller aus, rannte fast.
Er blickte die Straße entlang, bevor er in Blodeuyns Gasse einbog; er wollte seinen Vater sehen, bevor er der Neuigkeiten wegen ins Dorf ging. Der Dorfplatz war leer. Er schüttelte den Kopf, rannte die Gasse entlang zum Hof seiner Familie.
Gwilyms Hof. Er stieß den Atem aus, hatte gar nicht gemerkt, daß er ihn angehalten hatte. Die Mauer war unbeschädigt, die Jorweg grün und üppig, fiel in überreichlich gesundem Wuchs über den Stein. Aber das Tor war geschlossen. Mitten am Tag? Und hinter den Mauern lastete eine ungewohnte
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