Maeve
Ranke hinauf und verschwand binnen Sekunden über dem Rand der Plattform. Beinahe sofort kam er wieder herunter und streckte eine Hand aus.
„Versuche es vorsichtig. Versuche nicht, zu springen, sonst landest du bis zu deinen Hüften im Schlamm.”
Aleytys schauderte. Sie bewegte sich mit übertriebener Vorsicht, löste die Finger vom Mast und beugte sich vor, um seine Hand zu ergreifen. Sie kam mit einer Leichtigkeit aus dem Boot und auf die Leiterranke, die sie überraschte. „He, meinst du, ich gewöhne mich daran?”
„Komm schon. Die Luft ist dort oben viel besser.” Die Plattform maß etwa zehn Meter im Quadrat, im Zentrum gab es eine bescheidene Hütte. Die Bündel und der Wasserschlauch waren neben der Schilfmatte, die den Eingang abschirmte, zu einem Haufen aufgestapelt. Aleytys machte zum ersten Mal in den letzten paar Augenblicken einen tiefen Luftzug. Eine relativ kühle, reine Brise wehte über die Plattform und bewegte die Überreste, die wahllos überall auf den sonnengebleichten Schilfmatten verstreut lagen. Knochenstücke. Zerfetzte Blätter. Vogelmist. Andere Überreste, zu klein, um identifiziert werden zu können. Sie trat verdrießlich in das Durcheinander, streckte sich dann und seufzte.
Gwynnor kam rückwärts aus der Hütte, einen abgenutzten Reisigbesen in einer Hand. Während er Staub und Spinnweben von seinem Fell bürstete, zeigte er auf die Plattform, dann auf die Hütte. „Wo willst du saubermachen? Da oder dort?”
„Ich stand nie besonders auf Höhen.” Sie sah zur Hütte hin
über, dann zum Himmel hinauf, wo sich dunkle Wolken zusammenzogen. „Wie wasserdicht ist die Hütte deiner Meinung nach?”
„Sie ist alt. Wird langsam Zeit, daß die Händler eine neue bauen.”
„Mit anderen Worten: Wir machen uns besser auf eine feuchte Nacht gefaßt.”
Die Sonne stand noch immer am Himmel, als sie mit der Säuberung der Plattform fertig waren. Während sich Gwynnor über den Rand der Plattform hinweg erleichterte — sein Urin beschrieb einen weiten Bogen —, wühlte Aleytys in seinem Bündel und holte die Feuerschale und den Grill hervor. Er kam zurück, als sie kleine Zweige in der Vertiefung anhäufte und dafür sorgte, daß der gerundete Boden nicht mit dem sofort entflammbaren Schilf in Berührung kam.
„Fühlst du dich besser?”
Er lächelte. „Es gibt einem Mann ein stolzes Gefühl.”
„Herr all dessen, was du überschaust.” Sie kratzte ein Streichholz über das Metall und entzündete das Feuer. „Wenn du dich gewaschen hast, kannst du das Trockenbrot und das Räucherfleisch ausgraben.” Nach und nach legte sie immer mehr Zweige auf, bis sie ein kleines, prasselndes Feuer brennen hatte. Dann brachte sie den Gitterrost über der Schale an und stellte den Wassertopf darauf.
Gwynnor kam leise von hinten heran. Er reichte ihr Brot und Fleisch über die Schulter.
„Danke.” Sie nahm die Lebensmittel, sah dann zum Himmel auf. „Wie lange dauert es noch, bis es regnet?”
Er kniete sich neben sie, die Rammen tupften huschende karmesinrote Schimmer in sein kurzes, silbriges Fell und die reichlichen grauen Locken, die sich auf seinem Kopf kräuselten. „Er kommt, wann er will.”
„Du bist eine große Hilfe.”
„Was macht es für einen Unterschied?” Er riß sich einen Brokken von dem Laib und fing an, auf dem dicken, festen, aromatischen Brot zu kauen.
Aleytys gähnte, fühlte sich trotz ihres langen Schlafs behaglich müde. „Du hast recht. Warum sich über das, was man nicht ändern kann, Sorgen machen?”
Während das kleine Feuer Wärme über ihre Gesichter spielen ließ, kauten sie gelassen in einem geselligen Schweigen, bis Brot und Fleisch verzehrt waren. Das Wasser kochte, und Aleytys kippte die Cha-Blätter hinein, rührte sie heftig um, goß dann die dampfende Flüssigkeit in die beiden Becher.
Von dem Cha schlürfend, begaben sie sich an den Westrand der Plattform, setzten sich mit gekreuzten Beinen nieder und sahen der Sonne zu, wie sie langsam hinter den Baumwipfeln versank.
Der Sonnenuntergang war eindrucksvoll; die dunklen Wolken leuchteten golden auf, dann karmesinrot, dann purpurn und wurden schließlich langsam düsterer, als der letzte Lichtstrahl der rostroten Sonne verschwand.
„Aleytys.”
„Mhmm?”
„Heute morgen. Was war da los?”
Sie wirbelte den Bodensatz des Cha herum, sah zu, wie die Blätterstückchen über dem Becherboden kreisten. „Eine Trauerzeit”, sagte sie langsam. „Die Cludair waren so
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