Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
gegenseitiger Austausch von Gefälligkeiten zwischen den Gemeindebeamten und den von Privatinteressen geprägten anderen Partei gepflegt wurde, die zu Lasten der schützenswerten öffentlichen Besitztümer gingen.«
So wurden zum Beispiel Grundstücke keineswegs an den Meistbietenden verkauft, sondern an »Freunde«. So verschleuderte Bürgermeister Cereda, der mehrfach öffentlich die Existenz der ’Ndrangheta in seiner Gemeinde abstritt, ein wertvolles öffentliches Grundstück für 10.000 Euro. Ein naturbelassenes Terrain, das die Gemeinde den Betonfritzen in den Rachen warf. Auf diesem Biotop soll jetzt ein Parkhaus für die Kunden des künftigen
Auchan
-Supermarktes von Buccinasco errichtet werden. All das wird derzeit vor Gericht verhandelt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nur sicher, dass es ein Berufungsverfahren des Bürgermeisters geben wird. Cereda ist es auch, der die notwendige Entscheidung über die Eröffnung einer gemeinnützigen Pizzeria in einem der Gebäude des Barbaro-Papalia-Clans, das in Buccinasco beschlagnahmt worden war, verhinderte. Doch dann ruderte er zurück und überließ das Haus dem Sozialprojekt »Legalitäts-Werkstatt« der Vereinigung
Libera
. Die Idee stammte von seinem Amtsvorgänger Carbonera (Mitte-Links), der während seiner Amtszeit zahlreiche Drohungen der Mafia erhalten hatte. Er wurde nicht wieder gewählt. Buccinasco entschied sich für die Mitte-Rechts-Liste von Cereda, die von der CL empfohlen worden war.
Wählerstimmen und Geld stinken nicht. Während des Wahlkampfs setzte ein erbittertes Ringen um die noch unentschiedenen Wählerinnen und Wähler ein. Auch in diesem Fall entstanden Fotos, die Kandidaten und Mafiosi Seite an Seite in Mailänder Luxusrestaurants zeigen. Während der 2007 durchgeführten Ermittlungen gegen den Morabito-Clan und dessen Unterwanderung des Mailänder Gemüsegroßmarkts ergaben sich Hinweise auf einige denkwürdige Verabredungen des Regionalrats Alessandro Colucci (PdL). Zwei Jahre zuvor war der Politiker bei einem gemeinsamen Abendessen mit dem Clan-Chef von Africo, Salvatore Morabito, gefilmt worden. Ein Wahlkampfdinner im Vorfeld der Regionalwahlen. Nach Auszählung der Stimmen stellte sich heraus, dass Colucci das zweitbeste Ergebnis erzielt hatte. Die Clan-Chefs waren zufrieden. »Colucci hat das Rennen gemacht«, freut sich Drogenhändler Francesco Zappalà, »jetzt haben wir ’nen Freund in der Regionalversammlung.«
Doch Colucci ist nicht der einzige Politiker, der seine Karriere der Mafia zu verdanken hat. Auch andere trafen sich häufig mit den Mafiosi. Der Regionalrat von der Freiheitspartei behielt trotz der Ermittlungen sein Mandat. 2010 tauchte sein Name im Rahmen der Operation »Parco Sud« wieder unter den Verdächtigen auf. Und mit ihm weitere PdL-Politiker, denen vorgeworfen wird, Beziehungen zu Selbständigen unterhalten zu haben, die zum »diplomatischen Dienst« des Barbaro-Papalia-Clans gezählt werden. Darunter auch Stefano Maullu, Ex-Regionalrat für Zivilschutz, der im Mai 2010 wiedergewählt wurde, um dann in die Wirtschaft zu wechseln. Für ihn hatte Alfredo Iorio, mutmaßlicher Finanzberater der Clans, Wahlkampfdinner organisiert, »um ihn den Leuten aus meiner Heimat« vorzustellen. Dabei handelte es sich um das gesamte Führungspersonal des Madaffari-Clans, das Maullu und der Provinzialassessor Fabio Altitonante in einem Restaurant in Rozzano (Lombardei) trafen. Stimmen sind Stimmen, oder wie betroffene Politiker gern formulieren: »Ich frage die Leute, die mit mir sprechen wollen, nicht nach ihrem Vorstrafenregister.«
Davide Milosa beschrieb diese Haltung in
Il Fatto Quotidiano
folgendermaßen: »Gegen Maullu wird nicht ermittelt. Auch nicht gegen Giulio Gallera, den Fraktionsvorsitzenden der PdL im Gemeinderat, Marco Osnato, Schwager von Romano La Russa und Geschäftsführer der
Aler
[öffentliche Wohnungsbaugesellschaft], oder Angelo Giammario, Staatssekretär der Regionalregierung und Berater des Regionalrats der Lombardei. Dann gibt es noch Armando Vagliati, der als einer der Mitbegründer der Berlusconi-Partei
Forza Italia
gilt und seit 1997 als deren Abgeordneter im Stadtrat sitzt. Er zählt zu den engsten Vertrauten von Bürgermeisterin Letizia Moratti, gegen die ebenfalls nicht ermittelt wurde, der aber eine gefährliche Nähe zu Giulio Giuseppe Lampada vorgeworfen wurde. Lampada ist ein kalabrischer Unternehmer, der als Gefolgsmann des Condello- und des Valle-Clans gilt. Familie Valle trieb ihre
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