Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
erwähnt, im norditalienischen Buccinasco eine Außenstelle betreibt. Von Unternehmerseite waren Alfredo Iorio und Andrea Modafferi beteiligt, die über ihre
Kreiamo
-Immobiliengesellschaft mit Sitz in der vornehmen Via Montenapoleone in Mailand die Firma
Immobiliare Buccinasco
kontrollierten. Diese understand dem Barbaro-Clan. Der Anklage zufolge soll Madafferi Schutzgeld an Clan-Boss Salvatore Barbaro bezahlt haben. Im Tausch hielt ihm der Clan Forderungen anderer Mafia-Zellen vom Leib. Zusätzlich beauftragte Madafferi die Firmen des Barbaro-Clans mit auszuführenden Arbeiten. Die Vorwürfe der Anklage wurden vom Gericht geteilt und Madafferi wegen Zusammenarbeit mit mafiösen Organisationen zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Doch die Operation »Parco Sud« war mit den Verhaftungen im November 2009 noch nicht abgeschlossen. Aus ihr ergab sich eine weitere Untersuchung, »Parco Sud II«. Die Ermittlungen gingen von einigen Hinweisen aus, die man während der Durchsuchung der Büros der
Kreiamo
gefunden hatte und die weitere Politiker von den Parteien PD und PdL betrafen. Tiziano Butturini, Ex-Bürgermeister (PD) von Trezzano sul Naviglio, Präsident des Aufsichtsrats der Firma
Amiacque
und Ehemann der gegenwärtigen Bürgermeisterin von Trezzano, sowie Michele Iannuzzi, ehemaliger Stadtrat (PdL) derselben Stadt, sollen von Madafferi und Iorio bestochen worden sein. Sie erhielten das Geld für angebliche Beratungsleistungen für die beiden Gesellschaften. Im Gegenzug sollten sie einen abgesprochenen Parzellierungsplan für bestimmte Grundstücke absegnen. Während der Gerichtsverhandlung zu diesen Vorgängen stimmten beide außergerichtlich einem Deal zu, der ihnen bei Aussage eine Strafreduzierung in Aussicht stellte.
Es ist ein Bild in düsteren Farben, das sich aus den Akten der Untersuchung »Parco Sud« ergibt. Immobilienunternehmer, Politiker und Leiter öffentlicher Einrichtungen, die den Schmiergeldangeboten der ’Ndrangheta erliegen. Sie interessiert die Herkunft dieser Gelder nicht, die dafür eingesetzt werden, politische Zustimmung zu erkaufen. Es ist ein schmutziger Handel, der hier mit öffentlichen Gütern betrieben wird. Und während die Moral derer sinkt, denen der Schutz dieser Güter obliegt, arbeiten die Mafien weiter daran, ihre Macht zu vergrößern. Durch Protektionswirtschaft, Ämterpatronage und Korruption gelingt es den Mafien, ihre Interessen im wirtschaftlichen Zentrum des Landes durchzusetzen. Erprobte Mechanismen, die an der südlichen Peripherie des Landes entwickelt wurden und die die ’Ndrangheta-Clans mittlerweile systematisch im Norden Italiens zur Anwendung bringen.
Dort treffen sie auf skrupellose Vertreter des Unternehmertums, der Verwaltung, der Politik. Kulturell und politisch nähern sich die Mafia-Organisationen einerseits und das Wirtschafts- und Finanzsystem andererseits immer weiter an. Die Clans gleichen mittlerweile Finanzholdings und versuchen unablässig, sich immer weitere Bereiche der legalen Wirtschaft einzuverleiben, um die nahezu unbegrenzte Liquidität aus dem Drogenhandel zu investieren und Profite zu maximieren. Eine Charakteristik der modernen Mafien, die sie ihren Gegenspieler in der Wirtschaft, den Industrie- und Finanzgesellschaften, immer ähnlicher macht. Auch deren Ziele sind die Vervielfachung der Profite, die Verwaltung von Eigentum sowie die feindliche Übernahme anderer Firmen.
Im gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzsystem liegt möglicherweise auch die Antwort auf die Frage, warum ’Ndrangheta, Camorra und Cosa Nostra derart märchenhafte Gewinne machen, die den Neid von Finanzministern auf der ganzen Welt erwecken. Zugespitzt lässt sich die Frage dahingehend formulieren, warum die Politik in den Industriestaaten es seit Jahrzehnten zulässt, dass durch das staatliche Verbot, Drogen zu konsumieren und mit diesen zu handeln, diese märchenhaften Gewinne überhaupt erst möglich werden. Und im Weiteren, ob und wenn ja, wie sehr die legale Wirtschaft bereits von dem konstanten Zustrom der Drogenmilliarden abhängig ist.
Die Währung, mit der die Mafien in Politik und Wirtschaft ihre Rechnungen begleichen, ist die Korruption. Mit ihrer Hilfe schleicht sich die ’Ndrangheta in die Machtzentren ein. Die Mafiosi bestechen, um wirtschaftliche Ziele zu erreichen, die einer mafiösen Organisation eigen sind. Dies geschieht zu Lasten der Gemeinschaft der restlichen Bürger des Landes. In Italien ist die Korruption seit Jahrzehnten ein verheerendes
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