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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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die zwei Randgebiete des Systems Italien miteinander. Das Beispiel der Firma
Perego
, einem führenden Unternehmen der Lombardei, ist dabei typisch und steht für viele andere Fälle, in denen kalabrische Großunternehmen unter die Führung von Clans kamen. In der Lombardei, in Ligurien und in der Emilia-Romagna – jenseits der imaginären Linie, die Nordvon Süditalien trennt, die vom Kapital der ’Ndrangheta permanent durchstoßen wird – spielen sich die Bosse als Unternehmer auf. Dunkle Teilhaber, die über Wohl und Wehe der Firmen entscheiden.
    Anfangs hatte der Mann, dem Ivano die Rettung seiner Firma anvertraute, versprochen, die tief in den roten Zahlen befindlichen Konten der Firma aufzufüllen. Salvatore Strangio ist ein Mafioso, Ivano spürte das sofort. Aber er macht sich keine Gedanken deswegen. Er ist unbesorgt, »mit Salvatore, dem Calabrotto, an meiner Seite, wird es niemand wagen, mir in die Quere zu kommen«.
    Er hatte ihn anheuern lassen und mit der Sicherheit der Baustellen beauftragt, was zugleich Sicherheit für ihn selbst bedeutete. Im November 2008 lässt Ivano den Vertrag mit Strangio unterzeichnen. Ivano hat im Laufe der Zeit einige Kalabrier kennengelernt. Die Firma
Perego
vergibt seit Jahren Subaufträge an ihre Unternehmen. Es ist ein schleichender Prozess der Unterwanderung seiner eigenen Firma, dem Ivano beiwohnt. Er fühlt sich wehrlos, umnebelt von der weißen Droge, die ihm die Nasenschleimhäute wegätzt. Strangio kennt die Schwächen von Ivano. Vor seinen Untergebenen beschreibt er ihn als »verrückten Kokser«, der wegen seiner Drogenabhängigkeit die Firma in den Ruin treiben werde. Strangio verspricht ihm, das Schicksal der Firma, die sich gerade um einen Löwenanteil der Ausschreibungen für die Expo 2015 beworben hat, zum Besseren zu wenden. Die Weltausstellung ist für die Clans eine attraktive Beute. Das Mittel, um sie in ihre Fänge zu bringen, stellt die Firma
Perego General Contractor
dar.
    Die Allmacht der Clans ist unübersehbar. Im Bausektor nimmt sie die Form von Gebäuden, Straßen, Brücken, Bahnhöfen und Kongresszentren an. Tiefbau als Entäußerung einer Macht, die ihre Wurzeln in der Wiege der ’Ndrangheta im Aspromonte hat, jener mythischen »Mutter Kalabriens«, die als das pulsierende Herz der unehrenhaften Gesellschaft gilt. Aus dem heimatlichen San Luca in Kalabrien empfängt Salvatore Strangio seine Anweisungen, wie er im Falle der
Perego
vorgehen soll. Es war der inzwischen verstorbene Oberboss Antonio »Ntoni Gambazza« Pelle, der die Planung der Unternehmenspolitik von Ivanos Firma übernommen hatte.
    Hinter Ivano Perego, der die Firma offiziell leitete, stand die ’Ndrangheta. Sie entschied, was zu tun war. Ein Gipfeltreffen in Bovalino (Kalabrien) besiegelte das Schicksal der Firma. »Das, was zwischen Sommer 2008 und Frühjahr 2009 rund um die Firma
Perego
geschah, ist prototypisch dafür, wenn es gilt, die ökonomischen Kontrollstrategien zu verstehen, die die ’Ndrangheta-Bosse konzipiert haben. Es ist klar, dass eine Firma wie die
Perego
für die Kriminalität vom Schlage der Mafia einen enormen Wert darstellt. Die Kontrolle einer Firma dieses Typs bietet mindestens drei unschätzbare Vorteile für die Mafia: Sie kann Tiefbauarbeiten, das bevorzugte Arbeitsgebiet der lombardischen Ableger der ’Ndrangheta, selbst direkt steuern; sie kann Ausschreibungen und Unterausschreibungen befreundeten Firmen zukommen lassen, wie etwa dem Unternehmen SAD von Salvatore Strangio, zu deren weiteren Teilhabern Bosse wie Pavone und Morabito gehörten; und natürlich an oberster Stelle: sie kann durch zwischengeschaltete Personen direkt über ein Unternehmen verfügen, das die richtige Größe dafür hat, um sich wesentliche Teile öffentlicher Ausschreibungen unter den Nagel zu reißen, und dank ihres absolut unverdächtigen und ordnungsgemäßen äußeren Erscheinungsbildes kommt sie auch für Großprojekte wie die Expo 2015 in Frage.«
    Diesbezüglich erhebt die Anti-Mafia-Behörde von Mailand schwere Vorwürfe gegen die ’Ndrangheta: »Hier gibt es einige Herren, die ohne jegliche berufliche Ausbildung, die ihr Auftreten rechtfertigen könnte, sich das Recht anmaßen, zu entscheiden, wer eine bestimmte Kapitalgesellschaft führt, wer davon ausgeschlossen wird, wer für wen den Posten aufgibt, wie die Arbeiten verteilt werden. Und sie sorgen für permanenten Austausch mit dem fernen Kalabrien, wo andere, wie der verstorbene Pate Antonio Pelle im

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