Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Anlagevermögen darauf, in die lukrativen Projekte für die Expo 2015 in Mailand zu investieren.
Mit dem Begriff »Calabrotti« (Kalabrische Exilanten) bezeichnet die unternehmerische Entourage von Ivano jene aus Kalabrien gebürtigen Männer, die für Subunternehmer auf den Baustellen der Firma
Perego General Contractor
arbeiten. Eine Firma, die eine wirkliche Erfolgsgeschichte vorweisen kann. Für die ’Ndrangheta ist sie eine verführerische Beute, die mit den Zähnen gepackt und in großen Bissen heruntergeschlungen wird. Eine von vielen Firmen in der Lombardei, die attraktiv ist für diese Art von »Anlegern«. Ivano ist nicht der einzige, der Illusionen hegte, was die mutmaßliche Antriebskraft des ’Ndrangheta-Kapitals anging, das so harmlos im eleganten Zweireiher daherkommt. Sie gleichen eher klassischen Managern aus Mailand als dem, was sie eigentlich sind: Söhne einfacher Leute aus dem verarmten Hinterland Kalabriens. Ivano träumt davon und will unbedingt erreichen, dass die
Perego
Marktführer in Sachen Tiefbau wird.
Die Wunschträume von Ivano setzen eine perverse Spirale der Eskalation in Gang. Er sieht, Tag für Tag, wie seine Firma zusehends in Stücke zerfällt. Und obwohl seine Geschäftsbilanzen mittlerweile dunkelrote Farbe angenommen haben, sucht er weiter die Unterstützung der ’Ndrangheta. Die Anziehungskraft von Macht ist wie eine Droge für den lombardischen Unternehmer, schlimmer als Kokain. Sein Leben läuft schnell aus dem Ruder. Es verliert zusehends den Zusammenhalt in den Händen der Teilhaber, an die er sich hilfesuchend gewandt hatte und mit denen er enge, vertrauensvolle Beziehungen pflegt. Andrea Pavone und Salvatore Strangio vertraut Ivano blind. Und als sie sich bei ihm als jemand vorstellen, der für die gegenwärtige Krise von Ivanos Firma mit Sitz im oberitalienischen Lecco die Lösung hat, öffnet er ihnen Tür und Tor.
Salvatore Strangio zählt für die Mailänder Staatsanwälte zu den schweren Jungs: »Pistolen, Maschinenpistolen, Handgranaten, Geschäfte mit der Schwester von Pablo Escobar (dem berühmten kolumbianischen Drogenbaron), Falschgeld. Das Ganze abgeschmeckt mit Kommentaren zu seinem Verhalten vor, während und nach der Haft. Diese prototypischen Diskurse belegen die verbrecherische Gesamtpersönlichkeit Strangios. Er ist nicht nur Mitglied einer der wichtigsten ’Ndrangheta-Gruppierungen, sondern zugleich jemand, der mit Gewohnheitsverbrechern und Händlern aller möglichen illegalen Waren auf vertrautem Fuß steht.« So weit die Ausführungen in den Ermittlungsakten der Operation »Tenacia« vom Juli 2010, zusammengestellt von der Anti-Mafia-Behörde Mailand.
Ivano arbeitet seit Jahren mit »Calabrotti« zusammen. Im Netzwerk der Subunternehmer hat die ’Ndrangheta das letzte Wort. Das wissen die Unternehmer. Jede Schaufel Erde, die im Norden, im Süden, im Osten oder im Westen der Lombardei transportiert wird, rollt auf Lastwagen, die zum Firmenimperium der ’Ndrangheta in der Lombardei gehören. Das Gesetz der Mafia wird hier allgemein respektiert. Wer das nicht tut, hat mit Drohungen und Einschüchterungen zu rechnen.
Den Mafiosi, die seit den achtziger Jahren eigene Firmennetzwerke aufgebaut haben, mangelt es jedoch teilweise an entsprechender Qualifikation. Ihre Unternehmensführung ist ausschließlich von Partikularinteressen bestimmt. Für das Gewinnstreben der Clans werden giftige Schlacken in Betonfässer gefüllt und illegal vergraben. Krankmachende Materialien, begraben unter der Erde, die von den Tiefbaufirmen der ’Ndrangheta ausgehoben, transportiert und abgelagert werden. Giftige Abfälle und Fundamente aus Stahlbeton. So arbeiten die Clans der lombardischen ’Ndrangheta-Ableger.
In den Jahren, in denen persönliche Besitztümer von Mafiosi im Rahmen von Gerichtsverfahren beschlagnahmt wurden, der Reichtum der Clans aber dennoch exponentiell anstieg, war es das Interesse der ’Ndrangheta in Norditalien, die Führung einiger Industriesektoren im Norden in die Hand zu bekommen. Inzwischen geht es ihr darum, Produktivprozesse vom Innern der Firmen selbst aus zu lenken und zu leiten. Um damit einen kontinuierlichen Prozess des Geldumschlags zwischen Nord und Süd des Landes in Gang zu setzen, wo jeweils sehr unterschiedliche Wirtschaftsformen zu Hause sind.
Die ’Ndrangheta setzt alles daran, diese durch Aussondern ihres Giftes von innen aufeinander abzustimmen. Die Unternehmen, zu deren Teilhabern die Mafiosi gehören, verbinden
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