Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
letzterem und führt dabei eigentlich die Gesellschaft, die ihm die Aufträge erteilt. Aufträge und Subaufträge, die Strangio wiederum an die zwanzig örtlichen Mafia-Unterzentren verteilt. Eine Steuerzentrale, die dem Mafioso Strangio untersteht. Wenn er die Arbeiten verteilt, achtet er sorgsam auf die Gleichbehandlung aller örtlichen Mafia-Ableger. Das lombardische Territorium ist in Einflusszonen der einzelnen Mafia-Ableger aufgeteilt. Wenn ein Auftrag der
Perego
die Stadt Rho betrifft, muss der Subauftrag den ’Ndrangheta-Clans vor Ort zugewiesen werden. Betrifft der Auftrag den Ort Bollate, fahren die Lkws der dort ansässigen ’Ndrangheta-Statthalter den Aushub von den Baustellen zur Deponie. Ein längst aus dem Ruder gelaufener und verzerrter Markt, der geprägt ist von den Übereinkünften zwischen dem örtlichen Unternehmertum und den ’Ndrangheta-Firmen. Das ist nicht das Vorspiel zu einem Monopol. Das ist ein bereits zum System erhobener und von der ’Ndrangheta in der Lombardei gesteuerter Trust.
Es ist kein Aufflackern von Unternehmerstolz, was Ivano dazu bringt, Strangio wieder loszuwerden. Er ist eingeschnappt und wird in seinen separatistischen Plänen vom Bewusstsein bestärkt, andere ’Ndrangheta-Vertreter auf seiner Seite zu haben. Ivano erträgt es nicht mehr, von Strangio über die Art und Weise der Unternehmensführung nach ’Ndrangheta-Methode belehrt zu werden. Er weiß, dass Strangio ihn für unfähig hält. Es sind Gerüchte aufgekommen. Sie ärgern und verängstigen Ivano. »Er möchte mich ersetzen«, denkt er sich und zerbricht sich den Kopf darüber, was er jetzt tun kann. Man hat ihm zugetragen, dass Strangio ihn durch einen »echten« Unternehmer ersetzen will. Einen, der die Gesellschaft wirklich führt.
Für Ivano ist es eine absurde Situation. »Stimmt schon, um die Finanzen unserer Firma steht es schlimm«, räumt er im Stillen ein. »Das Unternehmen steht kurz vor dem Zusammenbruch.« Und Strangio möchte es um jeden Preis retten. »Warum?«, fragt sich Ivano. »Was ist der Grund dafür, dass sich Strangio so engagiert, dass er einen echten Geschäftsführer in mein ausgezehrtes Unternehmen setzen will?« Die Antwort ist banal und beleuchtet gleichzeitig eine raffinierte Mafia-Methode der Bosse des dritten Jahrtausends. Salvatore Strangio kennt die desaströsen Bilanzen von
Perego General Contractor
. Mit seinem Vorhaben, einen versierten Geschäftsführer einzustellen, der die aufgelaufenen Probleme lösen soll, hält Strangio an der Firma fest. Denn es ist ein Tarnunternehmen, Camouflage, die ihn mitten hinein in die Fülle der lukrativen Aufträge für die Expo 2015 und vieler anderer Vorhaben in der Lombardei bringen soll. Dorthin, wo die Milliarden verteilt werden.
Strangio hält Ivano tatsächlich für komplett unfähig. Seiner Meinung nach besteht dessen Talent einzig und allein darin, Geld zu verschleudern. Strangio vertraut nicht einmal seinem Kumpanen Andrea Pavone, trotzdem zieht er ihn für die Beziehungen zu den Vergabeinstitutionen in Erwägung. Eines weiß Mafioso Strangio ganz sicher: Wenn es mit der
Perego
so weitergeht, wird die Firma untergehen und damit das Ansehen der ’Ndrangheta beschädigen. »Die Firma darf nicht abschmieren, das ist nun mal so, dafür gibt’s gute Gründe, sehr gute. Die dürfen wir keinesfalls über die Wupper gehen lassen«, argumentiert Strangio. Ihm liegt daran, sich die Aussichten auf künftige Milliardengewinne offenzuhalten. Noch verstecken diese sich hinter den Abgasen der Metropolenregion, in den hochtoxischen Abwässern der Industriebetriebe und unter den Hunderttausenden von Kubikmetern Beton, aus denen die Gebäude der Mailänder Weltausstellung 2015 entstehen sollen.
Ivano ist fest entschlossen, sich zu wehren. Er denkt mittlerweile gar nicht mehr daran, sich so einfach beiseiteschieben zu lassen. Und zieht dafür Andrea Pavone auf seine Seite, den offiziellen Teilhaber an der
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und Strohmann Strangios im Unternehmen. Pavone kennt die Welt von Strangio nur zu gut. Er ist nicht leicht zu erschrecken. Nicht einmal, wenn die Männer von Strangio vor seiner Villa ein riesiges Kreuz ablegen. Eine Einschüchterungsmethode, die Pavone auf die Seite anderer möglicher Investoren für die
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treibt. Eine Aktion, die zunächst unbeachtet bleibt und im Nachhinein Strangio und seine Schlägertypen ungläubig dreinsehen lässt.
»Lasst uns einen blutigen Ziegenkopf, einen Hundekopf oder irgendwas anderes vor seine
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