Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Beschleunigung, die das gesellschaftliche Leben in den letzten Jahrzehnten erfuhr, konnte an den festgefügten sozialen Hierarchien etwas ändern. In diesem Kontext entwickelten die Grandi Aracris ihre Strategie: sich zu tarnen mit einem beschaulichen Alltagsleben und unauffälligen unternehmerischen Aktivitäten.
Dies tat auch Salvatore Grande Aracri, Neffe des Paten Nicolino, der ebenfalls in Brescello wohnte. Salvatore wurde im Februar 2011 aus der Haft entlassen. Die ihn betreffende Anklage werde nicht länger aufrechterhalten, lautete das Urteil der Richter vom Gerichtshof in Reggio Emilia, die die Vorwürfe bezüglich Waffenbesitz und Drogenhandels zu prüfen hatten. Im Juni 2009 war er in Brescello festgenommen worden, um unmittelbar darauf zum Lagerraum einer der bekanntesten Discotheken der Reggio Emilia gebracht zu werden. Dort fanden die Carabinieri fünfzig Gramm Kokain und verschiedene Munitionsarten. »Die Discothek ist seit Monaten geschlossen. Man vermutet, dass sie als Tarnung für die Wäsche von Profiten aus kriminellen Geschäften, als Drogenumschlagplatz und Treffpunkt für Angehörige des aus Kalabrien stammenden Clans gedient haben könnte«, hieß es dazu im Bericht der Anti-Mafia-Kommission des Präfekten von Reggio Emilia.
»Totò« blieb nur wenige Tage in Haft. Im heimischen Brescello wartete er den formellen Freispruch ab. Der Neffe des Paten ist weiterhin als Unternehmer tätig. Von 2006 bis 2008 war er Teilhaber der
San-Francisco
-Immobilienhandelsgesellschaft, gemeinsam mit Michele Pugliese, dem Sohn von Franco sowie Antonio Muto und Giulio Giglio, dem Bruder und Geschäftspartner des Unternehmers Pino. Letzterer war, wie die Operation »Pandora« 2009 ergab, ein Opfer von Schutzgelderpressungen geworden. Die Gelder hatte Michele Pugliese für den Nicoscia-Clan eingetrieben. 2007 kaufte Salvatore die Anteile der übrigen Gesellschafter auf und wurde damit alleiniger Inhaber. Im darauffolgenden Jahr überließ er die Gesamtanteile zwei weiteren Personen, einem Mann und einer Frau aus Reggio Emilia, die die Firma nach vier Monaten an einen Mann aus Cutro weiterverkauften.
»Totò« verkaufte seine Anteile wenige Tage, nachdem die Staatsanwaltschaft von Catanzaro harte Strafen für die damaligen Führer des Grande-Aracri-Clans gefordert hatte. Seit damals ist Salvatore nur noch Teilhaber der
Euro Grande Costruzioni
und der
Nu.sa. Marmorwerke
, für die er 45.000 Euro zahlte. 2009 verkaufte er auch seine Anteile an der
Euro Grande
an zwei junge Verwandte. 2010 schloss sich der Kreis mit dem Verkauf der
Nu.sa. Marmorwerke
an einen anderen Unternehmer aus Isola di Capo Rizzuto. Salvatore entledigte sich damit in kürzester Zeit all jener Firmen, bei denen er Teilhaber gewesen war.
Im Prozess gegen ihn widersprachen die Eigentümer der Discothek
Italghisa
der Annahme, dass Salvatore zu den Teilhabern gehört habe. Höchstens sei er zeitweise als PR-Mitarbeiter beschäftigt gewesen, betonten sie. Bei diesen Discotheksinhabern handelte es sich um die Brüder Cesare und Antonio Muto, zwei von vier Brüdern, die zur Familie Muto aus dem Hinterland von Reggio Emilia gehören. Die Mutos sind an wichtigen Firmen im Bereich des Autotransportwesens beteiligt. Die Familie gilt als »mafianah«, wie die Ermittlungsbeamten hervorhoben.
Antonio Muto war bis 2007 Mitteilhaber der
San-Francisco
-Immobilienhandelsgesellschaft von Salvatore. Ein Jahr zuvor war er Hauptverwalter der Firma
C-Project
geworden, der Gesellschaft, die die bekannte und umsatzträchtige Discothek
Italghisa
betreibt. Und eben jener Antonio Muto versprach Pugliese, wie die Abhörprotokolle der 2009 durchgeführten Operation »Pandora« beweisen, die vereinbarten Zahlungen anzuweisen. Die Ermittler glaubten, das Pugliese ihn nach den Erträgen des Schutzgeldgeschäftes gefragt habe. Als Beweis, dass Salvatore tatsächlich mehr oder weniger im Verborgenen stiller Teilhaber der Discothek gewesen sei, wurden auch die Aussagen des Kronzeugen Salvatore Cortese herangezogen, der 2008 erklärt hatte: »Ich fuhr zur Discothek
Italghisa
in Reggio Emilia, deren Gesellschafter Salvatore ist, und sprach mit ihm über die Schulden [ein Darlehen an den Schwager von Salvatore]. Salvatore versicherte mir, dass er den Betrag bereits beglichen habe.«
Dass der Clan der Grande Aracris mit dem Land von Don Camillo und Peppone überaus eng verbunden ist, belegen auch weitere Episoden. Im Oktober 2008 wurde Francesco Grande Aracri, Bruder des Paten
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