Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
während einer Durchsuchung identifiziert. Floro Vito ist der Ex-Schwager von Domenico Mattace, dem Präsidenten der
Tre Emme
. Er wird als zentrale Führungsfigur der Clans aus Cutro im Raum Reggio Emilia angesehen. Zunächst wurde er dem Dragone-Clan zugerechnet, später dem Grande-Aracri-Clan. Erstmals war er 2001 im Zuge der Operation »Scacco Matto« wegen Drogenhandel verhaftet worden, musste damals aber wegen mangelnder Beweise wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Ein weiteres Mal wurde er im April 2010 verhaftet. Dieses Mal wegen Zinswucher.
Floro Vito steht derzeit unter Hausarrest und Sonderüberwachung. Im Februar 2011 griffen sie ihn auf der Baustelle in Novellara. Er gab sich dort als Angestellter der
Tre Emme
aus. Doch auch dieses Mal befanden die Richter, dass die Beweise nicht für eine Verurteilung ausreichten. Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus im Juni 2011 den Untersagungsbeschluss der Präfektur aufgehoben und seiner Firma das Anti-Mafia-Zertifikat wieder erteilt. Im Urteil des Gerichts heißt es: »Die vermuteten Verbindungen der beiden Subauftragnehmer-Firmen zum Organisierten Verbrechen (’Ndrangheta) ließ sich aus den vorliegenden Untersuchungsergebnissen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen. Die reine Auftragsvergabe an solche Firmen, ohne dass Elemente feststellbar wären, die eine mögliche Beeinflussung der Firma
Bacchi
durch kriminelle Kreise belegen würden, stellt noch keinen solchen Hinweis dar.« Das Gericht lehnte auch Mutmaßungen über Verbindungen der Firma zur Cosa Nostra ab, wie sie in zwei Untersuchungsberichten von der Anti-Mafia-Behörde in Palermo reklamiert worden waren. Aus Sicht des Regionalverwaltungsgerichts stand die Firma
Bacchi
nicht in Gefahr, von der ’Ndrangheta unterwandert zu werden. Es bleibt jedoch der Umstand, dass auf ihren Baustellen Firmen beschäftigt wurden, die Verbindungen zur ’Ndrangheta aufweisen.
Die ’Ndrangheta-Clans sind auch öffentlichen Geldern nicht abgeneigt. In den Listen der Provinz Reggio Emilia aus dem Jahr 2010 mit den Firmen, an die eine vereinfachte Auftragsvergabe möglich ist, taucht auch die erwähnte Firma
Giada
und ihr Sonderbevollmächtigter Raffaele Todaro auf. Aber nicht nur in der Provinz Reggio Emilia ist die Firma als Zeitarbeitsvermittler bekannt. Auch die Provinz Piacenza führt sie in den Verzeichnissen jener Betriebe auf, die für die wiederkehrende Vergabe von öffentlichen Aufträgen berücksichtigt werden sollen. In einem Bericht von 2008 über ausgeführte öffentliche Aufträge in der Region Emilia-Romagna wird die Firma
Giada
als Ausschreibungsgewinnerin für drei Aufträge aufgeführt, die zusammen einen Wert von knapp über einer Million Euro darstellen. Das Konsortium
Primavera
, an dem die
Giada
beteiligt ist und dessen Sonderbevollmächtigter ebenfalls Todaro ist hat für die Gemeinde Garda (bei Verona) das Umweltzentrum errichtet. 2009 sicherte sich das Konsortium diese Ausschreibung für 480.000 Euro, mit einem Nachlass von knapp 15 Prozent. Doch während der Ausführung stiegen die Kosten für die vergebenen Arbeiten auf über 700.000 Euro an, wie einige Ratsmitglieder von Garda beklagten. Auch die Erschließungsstraße zum Umweltzentrum wurde vom Konsortium ausgeführt, für weitere 250.000 Euro.
Aber nicht nur die Firma
Giada
findet sich in den Listen der Regionen Reggio Emilia und Piacenza zur vereinfachten Auftragsvergabe. Auch die Firma
Impresa
ist dort verzeichnet. Diese gehört Palmo Vertinelli, dem Neffen des Bosses Nicolino Grande Aracri. Vertinelli wurde im Umfeld der Operation »Scacco Matto«, einer umfassende Untersuchung zu den Aktivitäten der Clans aus Cutro und ihren Ablegern in der Emilia-Romagna, vor Gericht gestellt. Ihm wurde vorggeworfen, für die Clans Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Betrieben der Region errungen zu haben. Aber die Richter konnten sich dieser Auffassung nicht anschließen und setzten ihn wieder auf freien Fuß. Nach seiner Freilassung nahm Vertinelli seine Aktivitäten wieder auf. Er wurde Hauptgeschäftsführer der Baufirma, die seinen Namen trägt. Darüber hinaus führt er zusammen mit seinem Bruder ein Restaurant in Montecchio (Umbrien).
2006 vertauschen sich die Rollen. Von einem Beschuldigten in einem ’Ndrangheta-Prozess wurde Palmo Vertinelli (oder »Palmino«, wie ihn die Bosse nennen) zu einem Unternehmer, der an die Clans Schutzgeld bezahlen und die Bosse in seinem Restaurant bewirten musste, wie die
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