Mafia Princess
zuckten nur mit den Schultern, wenn die Sprache darauf kam. Die Hunde selbst machten einen zufriedenen Eindruck.
Dad trat in engere Verbindung zu den türkischen Banden, die in Mailand immer mehr an Einfluss gewannen. In den Jahren nach der lukrativen Entführung von John Paul Getty III. operierten diese Leute mühelos als Trittbrettfahrer italienischer Kidnapper. Sie hatten es auf Kinder reicher Familien abgesehen, und viele ihrer Opfer tauchten nicht mehr lebend auf. Im Jahr 1976 befanden sich über achtzig Männer, Frauen und Kinder in ihren Händen. Die Entführung und Ermordung von Aldo Moro, dem zweimaligen italienischen Premierminister, im Jahr 1978, ist bis zum heutigen Tag eine offene Wunde für Italien. Doch weil es sich um ein mühsames, gefährliches Geschäft ohne garantierten Gewinn handelte, wollte meine Familie nicht in die Entführungsbranche einsteigen. Den Drogen gehörte die Zukunft. Doch ständig kam es zu Reibereien mit anderen Organisationen, die im selben Geschäftszweig expandieren wollten. Geschäftliches Wachstum ist nur möglich, wenn man den Platz besetzt, den andere als den ihren betrachten. Und es gab viele »andere«.
Dad kam mit etlichen üblen Leuten in Kontakt. Eine schlimme Bande mit dem Spitznamen Kidnapper GmbH war verantwortlich für die Entführung von zweiundzwanzig Geiseln, von denen drei nie wieder auftauchten. Ein Jugoslawe namens Francesco Mafoda war einer der Anführer. Er begriff, dass Dad viele Kontakte und großen Einfluss hatte, und versuchte, ihn für seine Organisation anzuwerben. Der Typ war nicht einfach nur skrupellos und hinterhältig; er war ein regelrechter Psychopath. Sein pockennarbiges Gesicht ohne die Spur eines Lächelns ließ erkennen, dass die Zusammenarbeit mit ihm heikel würde. Dad sagte ab.
Mafoda passte das ganz und gar nicht, doch Dad blieb lieber unabhängig und ein freier Mann. Und offiziell war er inzwischen auch wieder ein freier Mann. Großmutter hatte über den Umweg eines neuen Bankkontos in Marbella einen Richter bestochen, und die Anklage wegen der Tauschaktion zwischen den beiden Brüdern im Gefängnis wurde fallengelassen. Dad speiste Mafoda mit einer Ausrede ab und konzentrierte sich weiterhin aufs Drogengeschäft. Vor allem darauf, es in der Familie zu halten. Gemeinsam mit seinen Geschwistern überwachte Dad mehrere Teams in Mailand, die mit den auf Lastwagen und Bussen ankommenden türkischen Lieferungen handelten, viele, viele Kilo Heroin, die oft in riesigen Speisefettkanistern versteckt waren. Woche um Woche wuchs die Zahl der Fahrzeuge, der Lieferungen und der Dollarmillionen, und die Heroinverteiler heuerten weitere Verkaufsteams an, um die tödliche, aber lukrative Ware an den Mann zu bringen.
Für Dad war das Leben herrlich. Und es hatte sich Überraschendes zugetragen. Er hatte sich verliebt. Adele Rossi war erst sechzehn, als Dad anfing, sich mit ihr zu treffen. Er betete sie an. Sie ging überall mit ihm hin. Ständig berührten sie sich. Nicht auf erotische Weise, sondern wie Leute, die sichergehen wollen, dass der andere noch da ist. Sie wurde Mum und mir vorgestellt, und wir mochten ihr liebenswertes, fröhliches Naturell. Und schön war sie auch: Sie hatte lange Beine und eine Kaskade blonden Haars. Allen fiel auf, wie glücklich Dad war. Und er war noch glücklicher, als Adele schwanger wurde. Und ich freute mich, doch die Aussicht auf eine Schwester machte mich auch nervös.
In dieser absurden Welt versuchte Mum, die entfremdet von ihrem Mann lebte, eine Art Liebesleben zu unterhalten. Doch Dads Einfluss und Persönlichkeit standen dem im Weg. Er wollte nicht mit Mum leben, doch er wollte auch nicht, dass ein anderer mit ihr lebte. Das Ganze war lächerlich, kam aber häufig vor in Beziehungen, die in die Brüche gegangen waren. Dad liebte Mum nicht, wollte nicht mit ihr leben, doch er wurde eifersüchtig beim Gedanken, dass ein anderer ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. Und er würde sich sicher nicht mit Drohungen aufhalten. Da er in unmittelbarer Nähe lebte, wie konnte Mum mit anderen glücklich werden? Und welcher Mann wollte mit ihr leben und für ihr kleines Mädchen Ersatzpapa spielen, wenn er wusste, dass Dad um die Ecke wohnte? Ein Typ namens Gianni entschied, er wolle keine Vergeltungsmaßnahmen für das Zusammensein mit Mum und mir riskieren, und beendete bald die Beziehung.
Mum traf sich auch mit anderen Männern, darunter einem, der ein Freund der Familie war, was sie alles vor Dad geheim halten
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