Mafia Princess
musste. Eines Nachts blieb er bei uns in der Wohnung, in dem einen großen Zimmer mit dem einen großen Bett. Mum schlief auf der einen Seite, ich in der Mitte und dieser Typ auf der anderen Seite. Ich war sieben und schlief im Schlafanzug. Unterwäsche trug ich keine. Mitten in der Nacht wachte ich auf, und da hatte dieser Typ seine Hand zwischen meinen Beinen. Er machte weiter nichts. Die Hand lag einfach da. Wie festgeklebt. Wer weiß, was hätte passieren können, wäre ich nicht aufgewacht. Und so schob ich seine Hand weg und kuschelte mich an Mum. Erzählt habe ich keinem davon. Was, wenn ich es Großmutter oder Dad gegenüber erwähnt hätte? Tja, Mum wäre dann vielleicht nicht mehr am Leben. Und das sage ich nicht im Scherz. Dad hätte mich ihr weggenommen, hätte dem Typen die Hände abgehackt und ihn umgebracht.
Ich kann Mum keine Vorwürfe machen. Sie wollte nur ein kleines privates Glück, wie Dad auch. Allerdings veränderte sich Dad. Er brach seine Regeln über die Unvereinbarkeit von Geschäft und Vergnügen und nahm Adele mit zu seinen Geschäftstreffen. Eines Abends, am 2. Oktober 1977, bekam er einen Anruf wegen einer Heroinlieferung im Wert von über 50.000 Pfund; keine große Sache, eine simple Verteilaktion. Er verabredete sich mit dem Kontaktmann Vittorio Bosisio in einem Café, um Vorkehrungen für die Verteilung am folgenden Tag zu treffen.
Dad wusste nicht, dass Vittorio Bosisio schon so gut wie tot war. Er war mit einem brutalen Jugoslawen namens Mimmo Pompeo aneinandergeraten, der seine Maschinenpistolen mit sich herumtrug wie ein Cowboy einen Revolver. Bosisio hatte für eine Drogenlieferung nicht bezahlt, und Pompeo hatte Order gegeben, ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Doch Bosisio war clever und hatte es drei Monate lang geschafft, am Leben zu bleiben. Jetzt brauchte er Geld, brauchte ein Geschäft. Jemand gab dem Jugoslawen einen Tipp, wo Bosisio an dem Abend zu finden sei.
Keiner wusste, dass auch Dad und Adele da sein würden. Die beiden und Bosisio bestellten je einen doppelten Espresso, Wasser und Gebäck und unterhielten sich in aller Ruhe, als die erste Ladung aus den Automatikwaffen die Fenster durchlöcherte. Die Jugoslawen waren wild entschlossen, Bosisio kaltzumachen. Sie waren zu acht und hatten sich hinter parkenden Autos postiert, von wo sie die Schüsse abgaben. Ein Rattern erklang, als die Kugeln das Café trafen. Vittorio Bosisio erwischte die volle Ladung des Angriffs, und sein Körper war von Kopf bis Fuß durchsiebt.
Adele versuchte in Panik zu flüchten, sie rannte zum Vordereingang hinaus, doch das trieb sie direkt vor die Gewehre. Sie wurde in den Kopf getroffen und starb auf der Stelle. Sie war gerade siebzehn geworden, im dritten Monat schwanger.
Dad handelte instinktiv, drehte sich weg, riss die Hände vors Gesicht. Die Kugeln trafen ihn in Arme und Beine. Blut schoss hervor, er stürzte halbtot auf den gefliesten Boden.
Als die Polizeimannschaften eintrafen, verhafteten sie ihn.
5 Gewehrkugeln und Rosen
»Inmitten der Schwierigkeiten liegt die Möglichkeit.«
Albert Einstein
Dad erwachte und sah Blumen und einen Polizisten an seinem Krankenhausbett. Der investigatore di polizia sollte darauf achten, dass ihm nichts passierte. Die Blumen stammten von Mimmo Pompeo, der sich um seine eigene Sicherheit sorgte, da er die Schießerei in Auftrag gegeben hatte. Adeles Tod und Dads beinahe tödliche Verletzungen waren ein Kollateralschaden. Das Blumenarrangement war eine Botschaft, mit der er um Verzeihung bat.
Tut mir leid, dass ich Ihre schwangere Freundin umgebracht habe.
Tut mir leid, dass ich Sie mit Kugeln durchsiebt habe.
Und, möglicherweise, tut mir leid, dass ich Sie nicht ganz erledigt habe. Genau das wäre auch passiert, wären da nicht die Notoperation und die guten Ärzte gewesen.
Für die Polizei war klar, dass für Dad, war er erst einmal genesen, ein simpler Rosenstrauch nicht reichen würde, um sich zu beruhigen! Er würde Rache wollen. Vendetta? Er wollte ein Massaker. Adele war die Liebe seines Lebens gewesen. Ihr gewaltsamer Tod stürzte ihn in tiefe Verzweiflung.
Auf den Titelseiten prangten Fotos ihrer blutgetränkten, auf dem Bürgersteig liegenden Leiche, ein Teenager, schwanger, mitten in Mailand Opfer im Kugelhagel rivalisierender Gangsterbanden. Auf den Politikern in Rom lastete ein enormer Druck. Ein landesweiter Skandal. Etwas musste geschehen. Auch die Behörden in Mailand, denen Rom im Nacken saß, waren fest entschlossen,
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