Mafia Princess
Territorien, zu Prügeleien und zu Mord und Totschlag. Ein Tod führte zum nächsten, und dann war da natürlich noch die Vendetta . Die Jugoslawen waren die größte Gefahr, und Adeles Tod musste gerächt werden. Ich bekam von allem nur mit, dass Dad die meiste Zeit geistesabwesend wirkte.
Im Kampf um Territorien schloss die Familie das ab, was sie »die Verhandlungen« nannte, und das Ganze endete damit, dass fünf von der Jugoslawenbande innerhalb einer Woche starben.
Die Unternehmungen der Familie Di Giovine waren endlos. Ständig kamen neue Kunden dazu, ständig wurde nach neuen Geschäftsmöglichkeiten gesucht. Patricia Di Giovine dagegen suchte nach einer Fluchtmöglichkeit. Im August 1979 fuhren wir zu einem Urlaub in eine andere Welt, nach Kalabrien, wo wir bei Verwandten von Großmutter wohnten. Überall in der Gegend hatte sie Familie, Brüder und Schwestern mit deren jeweiligen Familien. Mein Patenonkel, Onkel Demitri Serraino, der Patriarch, war unser eigentlicher Gastgeber. Er war wunderbar, etwas ganz Besonderes, ein netter, eleganter Mann und auch ein bisschen ein Schlawiner. Seine Frau Lidia konnte keine Kinder bekommen. Man hatte sie mit Hormonen abgefüllt, die sie haarig gemacht hatten; sie sah aus wie ein Mann und roch wie ein Mann. Mum und ich mussten in ihrem Haus wohnen. Man konnte sich wunderbar mit ihr unterhalten, aber sie hatte buschige Haare unterm Kinn, und sie brachte Mum immer dazu, sie ihr auszuzupfen.
Ich saß da und machte mir Sorgen: »Oh, lieber Gott, bitte lass sie mich nicht zwingen, ihr die Haare auszuzupfen.« Allein schon der Gedanke ängstigte mich zu Tode.
Onkel Demitri und die kalabrische Familie lebten ganz traditionell, ihre Lebenseinstellungen waren so fest verwurzelt wie Lidias Kinnbehaarung. Großmutter hatte ein Stück Land gekauft. Ihr Bruder und seine Frau, Onkel Giuseppe und Tante Milina, hielten sich dort, ganz in der Nähe ihres Bauernhofes, Kaninchen. Tante Milina war unfreundlich zu allen, und ich konnte sie nicht ausstehen. Man hatte mir erzählt, sie könne Leute mit bloßen Händen töten; sie war ein generale in gonnella , ein General im Rock.
Eines Tages kam ich zum Bauernhof, wo sie Schweine züchteten und auch diese wunderschönen Kaninchen. Sie war gerade dabei, ein Kaninchen für unser Abendessen zu töten, und ich bettelte: »Bitte, töte nicht das weiße!«
Aber sie tötete es vor meinen Augen. Zerschmetterte ihm einfach den Kopf und häutete es. Es war furchtbar. Das werde ich nie vergessen.
Ich weinte und fragte: »Was tust du mit dem Fell?«
Tante Milina hielt es mir hin und antwortete: »Da kannst du dir ein Paar Unterhosen draus machen.«
Mir war ganz elend zumute. Großmutter versuchte, mich aufzuheitern, als wir im Olivenhain saßen, umweht vom zagarna , dem Orangenblütenwind. Sie sagte mir, Dad komme vielleicht am Donnerstag. Das zauberte ein Lächeln auf meine Lippen. Es schien so lange her zu sein, dass ich ihn gesehen hatte. Allerdings wollte ich mich nicht zu sehr darauf freuen, nur für den Fall, dass er doch nicht kam. Ich zählte bis hundert und dann noch einmal bis hundert, bloß damit die Zeit schneller verging.
Er kam am frühen Abend, und ich lief in seine Arme; er meinte, er sei extra meinetwegen gekommen. Geschenke oder Gepäck hatte er nicht mitgebracht – keine Kleidung zum Wechseln, keine Zahnbürste. Dafür hatte er ein Benelli-Gewehr Kaliber 12 dabei.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück ging er mit mir raus, um mir den Umgang mit diesem großen Gewehr beizubringen. Er trug es lässig über der Schulter an einem losen, braunen Lederriemen. Die roten Patronen, die er mir zum Laden gab, waren warm von seiner Hosentasche. Mit sanftem Lächeln hielt er mich davon ab, als ich mehr als fünf Patronen einlegen wollte. Es war ein nettes Lächeln, aber distanziert, gar nicht vertraut.
Wir waren in der Nähe des Olivenhains, bei den Zitronen- und Limettenbäumen. Mein Gesicht glühte vor Hitze und Vorfreude, Kühle kam nur durch die Brise mit dem Orangenduft von den Bergamottbäumen.
Ich musste mich auf den Unterricht konzentrieren. Nachdem ich das Gewehr geladen hatte, erklärte er mir, die Patronen seien nicht etwa mit Schrotkügelchen, sondern einer einzigen geriffelten Kugel aus Blei geladen.
»Was ist der Unterschied?«, fragte ich.
Er erklärte, Schrotkugeln könnten Vögel vom Himmel holen, aber die Bleikugel könne einen angreifenden Eber aufhalten. Ihn mitten aus dem Lauf heraus zu Fall bringen.
Das
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