Mafia Princess
einen offenen Bandenkrieg zwischen den Jugoslawen und den Di Giovines zu verhindern. Sie wollten keine Leichen auf den Straßen, keine Zeitungsberichte über Bandenkämpfe, die die Wähler beunruhigen würden.
Nach den Morden hatten sie Dad verhaftet, und jetzt brachten sie ihn wegen einer ganzen Reihe von Raubüberfällen und Einbrüchen vor Gericht. Aus den Akten mit den ungeklärten Fällen gruben sie aus, was sie finden konnten. Sie holten »Lupin« von der Straße, um blutige Racheaktionen zu verhindern. Sie kriegten ihn wegen des Diebstahls von Pelzen und Kunstobjekten im Wert von mehreren tausend Pfund aus der Villa der Gräfin Marzotto Trissino in der Nähe von Verona dran. Das gefiel ihm ganz und gar nicht. Ohne Dads Wissen hatte sein Bruder Francesco die Beute aus dem Einbruch fotografiert, die Schnappschüsse an die Gräfin geschickt und Lösegeld verlangt. Das war nicht sonderlich klug gewesen, denn die erboste Gräfin verständigte sofort die Polizei. Dad und Francesco wurden als die Diebe entlarvt, also gab es in der langen, doch im Wesentlichen nur symbolischen Liste mit Anklagepunkten jetzt ein echtes Problem für Dad. Man brachte ihn auf einer Krankenbahre ins Gericht und setzte diese neben der Anklagebank ab.
Ich war damals sieben, aber der Moment ist fest in meinem Gedächtnis verankert. Verängstigt saß ich ganz hinten im Gerichtssaal neben Großmutter. Immer wieder griff ich nach ihrer Hand. Und immer wieder sagte sie leise zu mir, ich solle mir keine Sorgen machen und kein Aufsehen erregen.
Dad hatte einen Bart und lange Haare und trug ein weißes Hemd, das seinen von vielen Kugeln verletzten Körper bedeckte. Es war das erste Mal seit der Schießerei, dass ich ihn sah.
Er sah aus wie Jesus.
Und das war durchaus passend, denn er sollte gekreuzigt werden. Seine Augen waren rotumrändert, er sah so bleich und verloren aus, dass ich am liebsten über die hölzerne Barriere gesprungen und zu ihm gelaufen wäre. Ich wollte mich an meinen Dad klammern. Ich wollte ihn einfach nicht verlieren. Und da, genau in dem Moment, als ich sieben Jahre alt war, wurde eine lebenslange Liebe, eine kostbare Verbindung geschweißt. Es war seltsam, fast schon übersinnlich. Bis zu dem Moment hatte er den Augenkontakt mit mir vermieden, aber als meine Gefühle übersprudelten, sah er mich direkt an. Der Richter verurteilte ihn zu einem Jahr Haft im Gefängnis von San Vittore. Dad lächelte und warf mir eine Kusshand zu.
Als er von zwei bewaffneten Wärtern aus dem Gerichtssaal gefahren wurde, verrenkte er den Hals und lächelte mich noch einmal an, warf mir eine weitere Kusshand zu und flüsterte: » Spiacente [Tut mir leid].«
Jetzt war ich nicht mehr nur seine kleine Prinzessin. Ich war seine Mafiaprinzessin. Ich würde alles für ihn tun.
Großmutter sagte leise zu mir: »Mach dir keine Sorgen.«
So entspannt zu sein konnte sie sich leisten. Sie wusste, es würde nicht allzu hart für ihren Sohn werden. Sie hatte dafür gesorgt, dass Dad im Gefängnis sein Lieblingsessen und auch jeden gewünschten Wein bekommen würde. Dazu noch Drogen und Zigaretten, allerdings nicht für den Eigenbedarf – er rührte das Zeug nie an. Die Zigaretten waren das Kleingeld im Gefängnis, und Drogen aller Art die wichtige Währung, die man für Tauschgeschäfte und Bestechungen brauchte.
Natürlich machte ich mir trotzdem Sorgen. Während der Verhandlung war meine Mum nicht da. Sie hatte beschlossen, dass sie genug von unserem Leben in Mailand hatte. Solange Dad im Gefängnis war, wohnten wir in Blackpool bei Mums Eltern und bei meiner Tante Jill. Wir blieben länger als bei allen früheren Aufenthalten, weil Mum sehen wollte, wie ich mit dem Leben in England klar kam. Doch ich wurde krank, weil ich schlimmes Heimweh nach Italien, nach der Familie hatte.
Als Dad im November 1978 aus dem Gefängnis kam, stellte sich kein glückliches Familienleben ein. Ich sah ihn kaum und wusste nie, wann das nächste Treffen stattfinden würde. Er konzentrierte sich ganz auf seine Geschäfte. Und das mit aller Rücksichtslosigkeit. Adeles Ermordung hatte ihn noch härter gemacht. Er stürzte sich mit voller Kraft in den Drogenschmuggel und kooperierte mit den Türken, um noch mehr Heroin heranzuschaffen. Die Profite stiegen immer mehr.
Es dauerte auch nicht lange, und der Moment der großen Abrechnung war nahe. Andere stürzten sich genauso entschlossen in den Drogenhandel wie die Familie Di Giovine. Es kam zu Schießereien um
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