Mafia Princess
bleiben.
Er schmeichelte sich ein und bekam einen Job im Gefängniskrankenhaus. Dort wollte er in Erfahrung bringen, wie alles funktionierte – die Arbeitszeiten der Leute, die Wachen und Vorschriften – und wie er das zu seinem Vorteil nutzen und so die Freiheit wiedererlangen konnte. Er hatte sich mit einem italienischen Mithäftling, einem Mafioso, angefreundet, der über gute Kontakte verfügte. So erfuhr Dad von einem Zigeuner in Barcelona, der ihm helfen würde, falls er herauskam. Wochenlang hatte Dad nun schon Essen ausgeteilt, mit den Betten geholfen und sich allgemein nützlich gemacht, während er Augen und Ohren offen hielt, um das System zu durchschauen. Er fand Folgendes heraus: Wenn der Gefängnisarzt bei einem Häftling nicht zu einer Diagnose kommen konnte, wurde der Häftling zu Spezialisten ins Krankenhaus Santa Cruz gebracht. Mit bewaffneten Bewachern. Auf dem Weg zur Behandlung begleiteten drei Beamte den Sträfling, der in Handschellen war, aber sonst normale Straßenkleidung trug, damit die regulären Patienten keinen Schreck bekamen. Die Beamten überwachten den Häftling auch im Krankenhaus.
So wurde Dad plötzlich sehr krank. Ein geheimnisvolles Leiden quälte ihn. Die Sanitäter im Gefängnis fanden nicht heraus, was ihm fehlte. Also wurde er in das Krankenhaus von Barcelona gebracht. Ein Beamter blieb im Wagen, und die beiden anderen jungen Männer begleiteten ihn ins Untersuchungszimmer. Während sie auf den Arzt warteten, ging einer der Polizisten raus, um eine Zigarette zu rauchen. Dad, der immer noch Handschellen trug, packte den anderen Wärter und sperrte ihn in die Toilette. Schon war er draußen. Lässig spazierte er den Krankenhausflur lang und durch einen Seiteneingang auf die Straße und hinein in das geschäftige Treiben von Barcelona. Überall Leute, es war mitten am Nachmittag, am 7. Juli 1977. Der siebte Tag des siebten Monats im Jahr 77; viermal die Sieben, eine gute Gewinnchance im Glücksspiel. Er sagte später, er sei sich wie Houdini vorgekommen.
Und Dads Glück hielt an. Als am selben Tag die Stiere in Pamplona losgelassen wurden, begann er seinen langen Weg zurück nach Mailand. Er hatte nichts weiter bei sich als die winzigen schlüsselartigen Dinger, mit denen man Cornedbeefbüchsen öffnen kann. Diese Schlüssel verwendete Dad für alles Mögliche, denn damit bekam er alle nur denkbaren Schlösser auf. Seine Spezialität waren Autos. Das machte er schneller, als die meisten Leute eine Dose öffnen konnten.
Nur Minuten nach der Flucht sprang er in ein Taxi und gab als Fahrtziel die Plaça de Catalunya an, den Platz in der Stadt, auf dem immer besonders viel los war. Er hatte kein Bargeld, er verbarg seine Handschellen, und er bat den Fahrer zu warten, weil er kurz telefonieren wolle. Er verschwand im Eingang zur U-Bahn und kam auf der anderen Seite des Platzes wieder raus, von wo er den Taxifahrer sehen konnte. Er sah außerdem ein großes Polizeiaufgebot. Er ging in eine öffentliche Toilette und machte sich am Schloss der Handschellen zu schaffen. Es dauerte nur einen Moment. Auf der Straße hielt er dreist eine junge Frau an und fragte, ob sie ihn bei sich zu Hause schlafen lassen würde, aber davon wollte sie nichts wissen. Das muss man sich mal vorstellen! Er hatte gedacht, sein Lächeln allein würde genügen!
Er überredete einen Bettler, ihm etwas von seinem Kleingeld zu geben, denn er wollte seinen Kontaktmann, den Zigeuner, anrufen; aber er erreichte ihn nicht. Im Hafen von Barcelona lagen einige italienische Kriegsschiffe, und er hörte, wie ein Matrose mit kalabrischem Akzent nach dem Weg fragte. Dad tischte ihm eine fantastische Geschichte auf, erzählte ihm, er sei in der Stadt gestrandet, und der junge Mann gab ihm eine ganze Handvoll Peseten. Was er auch anstellte, irgendwie gelang es ihm immer, die Leute zu überreden, ihm zu helfen. Allmählich wurde es dunkel.
Er versuchte, mit dem letzten Bus in die Vororte von Barcelona zu kommen. Das war eine Fahrt, auf der man ihn eventuell kontrollieren würde. Wieder hatte er Glück. Um drei Uhr morgens entdeckte er einen Minivan. Mit seinem Cornedbeefschlüssel knackte er das Schloss und konnte ein paar Stunden darin schlafen. Am frühen Morgen begab sich Dad zur Rambla, der Fußgängerzone mitten in Barcelona. Dort wimmelte es von Touristen, die sich gut als Deckung eigneten. Kurz vor acht rief er den Zigeuner an. Der ließ ihn wissen, er sei gerade erst nach Hause gekommen, und deshalb solle er um
Weitere Kostenlose Bücher