Mafia Princess
wären wir nicht da. Ich musterte sie, das konnte ich mir nicht verkneifen. Es war nur ein einziger Blick. Sie musterte mich, und ich erschauerte. Ich konnte nur hoffen, sie hatte mich nicht auf eine abartige Weise angesehen. Ich war ja immer noch ein junges Mädchen, gerade mal erst vierundzwanzig, als ich in Durham ankam.
Von den Lebenslänglichen lernte ich, dass man sich am besten bedeckt hielt und seine Zeit auf die denkbar einfachste Weise absaß, nämlich ohne dass man sich von den eigenen moralischen Ansprüchen und Vorstellungen von Richtig und Falsch beirren ließ. Denn es gibt kein Schwarz und kein Weiß; es gibt nur Grau. Wie ich herausfinden sollte, als ich die Geschichten einiger der Häftlinge hörte.
Da gab es Maria, die mit ihrer Freundin Tina einsaß; ein harmlos wirkendes Pärchen. Außer dass sie Mörderinnen waren. In Wales waren sie zum Haus einer alten Dame gegangen, einer Frau, die sie kannten. Sie hatten versucht, Geld aus ihr herauszupressen, und sie hatten sie totgeschlagen.
»Wir waren auf Valium«, erzählten sie mir. »Wir waren auf diesem und jenem, und das bis zu einem Punkt, an dem wir total die Kontrolle verloren, vollkommen außer Rand und Band waren und nicht mehr wussten, was wir taten.«
Im Grunde waren beides nette Mädchen, und man kam gut mit ihnen aus. Was passiert war, tat ihnen leid. Wären sie absichtlich widerwärtig und boshaft gewesen, wäre das was anderes. Wenn man an Gott glaubt, dann glaubt man auch, dass jeder eine zweite Chance verdient. Es ist reine Instinktsache; entweder man mag einen Menschen, oder man mag ihn nicht. Tina und Maria waren ganz normale Mädchen. Sie hatten ein entsetzliches Verbrechen begangen. Aber ich würde schwören und meine Hand dafür ins Feuer legen, dass sie so etwas nie wieder tun würden.
Was mich in Durham so verblüffte, war die Tatsache, dass derart normal wirkende Frauen für solch unglaubliche Verbrechen ins Gefängnis kamen. Sheila saß ein, weil sie ihren Exfreund und die Frau, die er heiraten wollte, bei lebendigem Leib angezündet hatte. Sie hatte ihren neuen Freund und dessen Kumpel überredet, das Paar zu entführen. Sie folterten sie, fesselten sie, übergossen sie mit Benzin, setzten sie in Brand und stießen sie in deren Auto über eine Klippe. Sie verschwanden dann sofort, sahen also nicht mehr, dass die zwei aus dem Wagen springen konnten, sich im Gras herumwälzten und überlebten, wenn auch mit entsetzlichen Brandwunden.
Wir waren alle in Durham, als die Zeitungen berichteten, dass das Paar, das den Anschlag überlebt hatte, geheiratet habe. Uns war klar, das würde Sheila nicht gerade fröhlich stimmen, und wir hatten alle Angst, sie könnte eventuell Ärger machen, aber sie war an dem Tag einfach nur in düsterer Stimmung.
Sie hatte die Angewohnheit, ihren Frust an Susan May auszulassen, der Frau, die man wegen des Mordes an ihrer Tante verurteilt hatte, die aber behauptete, sie sei unschuldig. Sheila reizte sie, indem sie ihr sagte, sie sei schuldig, was sie immer auf die Palme brachte. Sue war mit einem aus dem Männertrakt von Durham befreundet, der ihr heimlich Sandwiches mit versteckten Botschaften schickte. Das heiterte sie immer ein wenig auf, aber es war gegen die Regeln, und eines Tages wurde sie von Sheila verpfiffen. So war sie eben. Sie war von Grund auf gemein.
Einmal, kurz vor dem Einschluss, zeigte sie voller Wut auf mich und meinte: »Wir sehen uns morgen.«
Ich nahm meine Cartier-Brille ab und antwortete: »Nein. Wir sehen uns jetzt!«
Sie wollte den Blick abwenden, und ich knurrte: »Wir sehen uns jetzt!«
Von den Wachen kam der Singsang: »Na kommt, ab in die Zellen. Ab in die Zellen.«
Da meinte ich zu ihr: »Das ist aber praktisch, was? Also sag schon, was willst du von mir?«
Sie gab irgendeine klägliche Antwort und gab nach. Sie war eine ziemlich starke Frau. Eigentlich zierlich, aber sie machte viel Krafttraining. Das machte ich inzwischen aber auch, und ich war größer, also hätte ich sie mindestens so sehr verletzen können wie sie mich. Sie wäre genauso zu Boden gegangen.
Außerdem hatte ich Ärger mit einer Kindsmörderin, die aussah wie eine Kreatur vom Planet der Affen . Sie war blond, hatte blaue Augen. Sie hatte eines der Kinder ihres Lebensgefährten erstickt, aber der besuchte sie immer noch. Ich konnte kaum glauben, dass dieser Typ immer noch etwas mit ihr zu tun haben wollte, nachdem sie eines seiner Kinder ermordet hatte!
Eines Mittags war sie an der
Weitere Kostenlose Bücher