Mafia Princess
Häftlingen der Kategorie A, aber es war das Hochsicherheitsgefängnis des Landes, es gab Lebenslängliche, Kindermörder, Pädophile, alles Insassen mit Haftstrafen von zehn Jahren und mehr. Mir war klar, das Leben hier würde sein wie dieser Song von Pink Floyd: »Living in a Fish Bowl«, wie im Goldfischglas würde ich mich hier fühlen.
Alle fünfzehn Minuten riefen sie meinen Namen und wollten mich vor der Zelle sehen, damit sie mich auf der Liste abstreichen konnten. Außerdem wurde ich besonders überwacht, ich hätte ja selbstmordgefährdet sein können. Die Wachleute waren Männer, was ich reichlich seltsam fand – Männer, die Frauen bewachten!
Der Chef rief zwei Frauen heran, die mir alles zeigen sollten: »Die sind auch Kategorie A, wie Sie.« Sie hatten Bomben gelegt für die IRA, und sie führten mich überall herum, wie die Aufsichtsschülerinnen im Internat das mit den Neuankömmlingen machen.
Ich weiß, es klingt blöd, aber ich brauchte zehn Tage in dieser Einzelzelle im ersten Stock, um zu begreifen, wo ich war und wie ernst es um mich stand. Und dann dachte ich: »Oh mein Gott! Hier komme ich nie wieder raus.« Ich brach zusammen und weinte mir die Seele aus dem Leib. In Risley war ich noch stark geblieben, aber in Durham lag ich auf dem Boden, vergoss ganze Sturzbäche von Tränen. Die Realität traf mich mit aller Härte, besonders die Erkenntnis, dass ich Lara nicht bei mir hatte. Ich vermisste sie so schrecklich. Eingesperrt zu sein konnte ich ertragen, aber ohne meine Tochter, das ging nicht. Deshalb erlitt ich den Schwächeanfall – aber aus demselben Grund musste ich mich zusammenreißen und nach vorne schauen.
Nach etwa einer Stunde stand ich auf und schwor mir, das Ganze um Laras willen durchzustehen. Ich badete in meinem Selbstmitleid. Der Prozess würde ja bald stattfinden, und ich würde auf »nicht schuldig« plädieren. Vielleicht wäre ich bald wieder zu Hause.
Doch in der Zwischenzeit steckte ich fest in der klaustrophobischen Atmosphäre von Durham. Immerhin kam Licht herein. Offenbar bekam man, je höher die eigene Zelle lag, auch mehr Tageslicht, weshalb sich die meisten nach der »Penthouse-Suite« sehnten. Ich hatte das Glück, dass ich bald eine Zelle auf dem obersten Stockwerk bekam, mit Blick auf die Kathedrale von Durham, eines der prachtvollsten Bauwerke der Welt.
Wir hatten jeweils nur eine Stunde am Tag Hofgang. Das heißt, wenn wir Glück hatten. Wenn es regnete, weigerten sich die Wachen rauszugehen. Das machte uns halb wahnsinnig. Wir hatten den gesetzlich verbrieften Anspruch auf eine Stunde frische Luft am Tag. Wir sagten immer: »Wir gehen raus bei jedem Wetter – baut doch Unterstände, damit die Beamten sich unterstellen können.« Aber wir machten schließlich nicht die Regeln. Diese Stunde bedeutete uns alles. Wir hätten sie immer wahrgenommen, im Regen, bei Sonnenschein oder Schnee. Weihnachten 1994 war herrlich. Dicke Schneeflocken fielen vom Himmel. Es war vollkommen still, und auf dem Hof fühlten wir uns wie im Paradies. Wir hinterließen Fußspuren in der weichen Schneedecke. Daran erinnere ich mich noch ganz deutlich. Es war auch unheimlich, und es gab Momente großer Gefühle, denn wir alle vermissten unsere Familie.
Manchmal schaute ich hoch und beschirmte die Augen mit den Händen, damit ich die Mauer nicht sah. Ich tat so, als würde ich in den offenen Himmel sehen. Ich stellte mir vor, in der Nacht einfach hinausgehen zu können und im Dunkeln zu stehen und die Nachtluft zu spüren.
Ich bekam ein Pfund pro Tag, und sparte alles, um Telefonkarten zu kaufen, die drei Pfund das Stück kosteten. Es konnte passieren, was wollte, jeden Abend telefonierte ich mit Mum und sprach kurz mit Lara, aber als Häftling der Kategorie A durfte ich nur ein ganz bestimmtes Telefon mit Aufnahmefunktion benutzen. Ich musste auch den Wachen im Voraus Bescheid sagen, wann ich telefonieren wollte, damit sie zuhören konnten. Das war schlimm für mich. Mum und Lara durften mich nur zweimal im Monat besuchen, was bei weitem nicht genug war.
Ich schrieb an Bruno und sagte ihm die reine Wahrheit. Ich hatte nämlich genug. Es lief darauf hinaus, dass ich ihm erklärte: »Ich habe die Nase voll von dir. Ich will nicht mehr mit dir zusammen sein.« Da ich nun verhaftet und im Gefängnis war, fühlte ich mich frei, ihm zu sagen, was ich wirklich empfand. Er war Teil meines Lebens, aber ich sah uns einfach nicht mehr als Paar. Die Tiefe des Gefühls, diese besondere
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