Mafiatochter
Mafia eigentlich stand. Sie strebten eine Mitgliedschaft mehr des Geldes und des Nimbus’ wegen an als wegen der Ehre, Loyalität und Bruderschaft, die von den älteren Mafiosi praktiziert wurden. Viele von ihnen landeten wegen Bagatelldelikten im Gefängnis.
Auf diesem Schulhof gab es einen Typen namens Tommy, den ich süß fand. Das erste Mal, dass ich mit ihm sprach, war auf der alljährlichen Party zum 4. Juli bei uns zu Hause. Papa schmiss anlässlich des Nationalfeiertags immer die größten Partys von ganz Bulls Head, mit palettenweise Dom Pérignon, Alkohol, Bier, Hummerschwänzen, Krabbenbeinen und was man sich sonst noch wünschen konnte. Hunderte von Leuten aus dem ganzen Viertel nahmen an dem Ereignis teil. Manche brachten ihre Gartenstühle mit und stellten sie in unserem Hinterhof auf. Wir ließen alle herein, jeden, der kommen wollte. Es war eine Kopie der riesigen Fourth-of-July-Party, die John Gotti immer in Queens gab.
Am Nachmittag waren die Erwachsenen alle betrunken und völlig fertig. Roxanne, Ramona und ich hatten die Party verlassen, um ein wenig spazieren zu gehen, als ich Tommy sah. Er saß in seinem Wagen und wartete auf ein paar Freunde. Ich war ihm schon öfter in der Gegend begegnet und mochte ihn. Als er mir sagte, er gehe zu einer Nachbarschaftsparty, sagte ich: »Das ist die Party meiner Familie.«
Er ging mit uns nach Hause zurück. Als wir in den Hinterhof kamen, sah ich, wie mein Vetter Bud und Sera, ein Freund meines Vaters, einen blutverschmierten und zusammengeschlagenen Teenager davon schleppten. Bud schrie: »Mach, dass du hier rauskommst, und lass dich nie wieder blicken!«
Als Bud daraufhin auf Tommy zuging und ihn fragte, ob er den Jungen kenne, bekam ich einen Schreck. Tommy sagte, er habe ihn noch nie gesehen. Das alles war mir so peinlich, dass ich meine Mutter suchte.
»Mama, was geht hier vor?«, fragte ich sie.
Sie war so betrunken wie alle anderen. Ich hatte sie noch nie zuvor mit einem Drink in der Hand gesehen, geschweige denn betrunken. »Mach dir keine Sorgen, Karen, entspann dich einfach«, riet sie mir. Also machte ich mich daran, meinen Vater zu suchen.
»Was ist passiert, Papa?«, fragte ich ihn.
»Offensichtlich hat so ein Typ das Maul zu voll genommen und eins auf die Schnauze gekriegt«, sagte er. Es stellte sich heraus, dass es ein Jugendlicher vom Schulhof war. Er hatte sich auf der Party betrunken und jemandem an den Hintern gefasst. Jemand anderes hatte das gesehen und gesagt: »He, Kumpel, so was tun wir hier nicht.« Der Junge hatte daraufhin patzig geantwortet und für sein respektloses Verhalten am Ende eine Tracht Prügel bezogen.
Tommy war noch immer an meiner Seite, also stellte ich ihn meinem Vater vor. »Papa, das ist Tommy«, sagte ich. So, wie Papa ihn musterte, muss er wohl geglaubt haben, Tommy wäre mein Freund.
»Tommy, ich sag’s dir lieber gleich«, sagte mein Vater. »Wenn du hier Ärger machst, verlässt du uns auf dieselbe Weise.« Das sagte er vermutlich, um Tommy auf die Probe zu stellen und zu sehen, was für ein Junge er war.
In jenem Sommer begann ich mich regelmäßig mit Tommy zu treffen. Wir gingen zum P.S.-60-Schulhof und hingen dort zusammen ab. Außer mir waren meistens auch Roxanne und Ramona Rizzo dort. Oft kam auch noch Jennifer Graziano dazu. Sie war ein Mädchen, mit dem ich mich erst seit Kurzem traf und die Tochter von Anthony »The Little Guy« Graziano, der angeblich ein großes Tier in der Mafiafamilie Bonanno war. Sie hatte eine ältere Schwester, Renee, doch Renee hatte einen anderen Freundeskreis.
Renee war anders als Jenn. Sie war die perfekte Definition einer Mafiaprinzessin. Dieser Rolle entsprechend, trug sie Pelzmäntel und schicken Schmuck. Ich erinnere mich, dass ich mich oft in Nachtclubs schlich und Renee dort in Gesellschaft von Mafiosi antraf, trinkend und lachend. Sie war das totale Gegenteil von Jenn, Ramona, Roxanne und mir. Wenn wir in einen Club gingen und einem Freund meines Vaters über den Weg liefen, rannten wir weg und versteckten uns – zum Teil deshalb, weil wir noch minderjährig waren, aber hauptsächlich, weil wir uns nicht so öffentlich mit unseren Vätern zeigen wollten, wie es Renee tat.
Auch Jennifer schlich sich häufig aus dem Haus, weil sie mit einem Typen namens Danny ging. Sie lebte in einem anderen Viertel, ganz in der Nähe des Hylan Boulevard. Wenn wir nicht zu Fuß zum Schulhof gingen, holte uns jemand ab. Das Problem war, dass damals, als ich mit Tommy
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