Mafiatochter
war sich Lee, was unsere Beziehung betraf, nicht mehr ganz sicher. Er wollte zu meinem Leben gehören, verspürte jedoch dauernd eine unterschwellige Spannung, die mit meinem Vater zusammenhing. Lee hatte ebenso viele Ressentiments meinem Vater gegenüber wie dieser ihm gegenüber. Wir waren trotz der vier Jahre, die wir schon zusammen waren, kein glückliches, liebendes Paar, aber auch noch nicht bereit, uns voneinander zu trennen.
Meine Beziehung mit Lee geriet immer mehr aus den Fugen. Er betrog mich, und ich betrog ihn. Nach einem besonders wüsten Streit packte ich meinen Koffer und zog in das Haus meiner Großmutter an der 15th Avenue in Brooklyn. Großmutter Scibetta verbrachte den Winter in Florida, sodass das Haus leer stand. Ich lud eine neue Freundin ein, mit mir zusammen dort einzuziehen, ein albanisches Mädchen namens Drita Selmani.
Drita ging mit einem Typen namens Albert, den Lee von der Straße kannte. An dem Abend, als wir uns kennen lernten, war ich mit Roxanne Rizzo unterwegs. Drita tippte mir auf die Schulter und fragte, ob ich eine Stripperin kenne, auf die sie deutete. Ich sagte: »Ich weiß, wer sie ist, aber wir sind nicht befreundet.« Sie entgegnete: »Gut, denn ich werde ihr das Gesicht ramponieren.« Drita war sauer, weil sie glaubte, dass das Mädchen etwas mit ihrem Freund hätte. Ich sah nicht, was geschah, aber Drita erzählte mir später, sie habe das Mädchen noch an Ort und Stelle verprügelt. Danach wurden wir dicke Freunde.
Ich hatte Drita schon kennen gelernt, bevor Lee und ich nach Arizona gezogen waren, und wir blieben auch befreundet, während ich in Phoenix war. Wir telefonierten andauernd. Als ich zurückkam, hingen wir ständig zusammen. Sie kam immer zu unserer Wohnung am Wellington Court. Manchmal gingen wir auch zu viert aus: Lee, Albert, Drita und ich.
Wie Lee und ich machten auch Drita und Albert gerade eine schwere Zeit durch. Wenn ich mit Lee Krach hatte, war Drita immer für mich da. Sie war eine gute Freundin. Ich vertraute mich ihr an, ging mit ihr aus und stellte sie meinen anderen Freundinnen vor.
Roxanne und Ramona mochten sie nicht so sehr. Sie kannten sie nicht seit ihrer Kindheit, deshalb vertrauten sie ihr nicht. Ihre Eltern waren albanische Immigranten, und sie war nicht in unserem Viertel aufgewachsen. Drita war ganz anders erzogen worden als wir, aber ich fand sie cool und gab nichts auf Kleinmädchenklatsch. Langsam integrierte ich sie in unserem Freundeskreis.
Ich wohnte ein paar Monate im Haus meiner Großmutter, dann zog ich zurück zu Lee. Drita zog wieder bei ihren Eltern ein, die ebenfalls auf Staten Island lebten. Lee bezahlte immer noch die Rechnungen, aber ich wollte lieber unabhängig bleiben, also suchte ich mir eine Stelle als Telefonistin für einen russischen Kleinaktionär. Auch Drita besorgte ich dort einen Job.
Wir brauchten nicht lange, um herauszufinden, dass die Firma nicht ganz legal war. Jeder, der dort arbeitete, hatte einen starken russischen Akzent und nannte sich »Richard Smith«. Für meine Sekretärinnendienste zahlte man mir achthundert Dollar die Woche – bar auf die Hand. Es war ein guter Deal, und sie behandelten mich gut, doch das Ganze war nur von kurzer Dauer.
Ich arbeitete seit gerade einmal vier Monaten dort, als ich eines Morgens zur Arbeit kam und vor heruntergelassenen Läden stand. Das Büro war leer geräumt und hatte geschlossen. Da sich meine Sekretärinnenstelle also über Nacht in Luft aufgelöst hatte, begann ich mich nach etwas Anderem umzusehen.
Meine Streitereien mit Lee eskalierten. Um dem Geschrei zu entrinnen, verbrachte ich mehr und mehr Zeit in der Wohnung meiner Kindheitsfreundin Jennifer Graziano in Manhattan. Jenn trennte sich gerade von ihrem Freund, und ich war mit Lee in einer Sackgasse angelangt, also konnten wir uns gegenseitig trösten.
Jennifer war ein Intelligenzbolzen. Sie besuchte die Stern School of Business der Universität New York und arbeitete auf einen Magisterabschluss hin. Während des Semesters wohnte sie in einem Apartment an der 39. Straße in Manhattan. Ich war ständig dort und ging nur noch ab und zu zum Schlafen nach Hause.
Jenn hatte dasselbe Leben geführt, das auch ich geführt hatte, bis mein Vater mit dem FBI kooperierte. Sie hatte eine Mutter, die der meinen recht ähnlich war, eine sehr hingebungsvolle Mutter und typische Mafia-Ehefrau: Stell keine Fragen, sieh nichts Böses, kümmere dich einfach nur um deine Familie. Die Mütter besorgten den
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