Mafiatochter
ich nach Arizona geflogen war, um die Kosmetikschule zu besuchen. Ich feierte gerade mit meinen Freundinnen im China Club, unserem Lieblingsladen am Times Square, wo man unter dem Partyvolk immer Prominente aus Musik, Sport, Mode und vom Broadway traf. Dave war dort in Gesellschaft von Jam Master Jay von der HipHop-Gruppe Run DMC. Ich war unterwegs, um Werbung für meinen neuen Gras-Service zu machen, und überreichte ihm eine Probe eines exquisiten Krauts namens Chronic .
»Das solltest du mal probieren«, sagte ich zu ihm. »Das ist Chronic. Richtig guter Stoff.«
»Du schenkst es mir?«, fragte er verwirrt.
Ich gab ihm meine Visitenkarte. »Mein Name ist Gina, und wo das herstammt, gibt es noch mehr davon.«
Am nächsten Tag rief Dave an.
»Willst du etwas kaufen?«, fragte ich.
»Nein, ich will mich nur mit dir treffen«, antwortete er.
Dave war Afroamerikaner, gut aussehend und gut gekleidet. Ich wusste, dass mein Vater etwas dagegen gehabt hätte. Italiener zogen es vor, wenn ihre Kinder mit ihresgleichen gingen. Dave war sogar nach meinen Maßstäben kein besonders braver Bürger. Er war ein ehemaliger Straßengangster, der gerade nach sechs Jahren Haft wegen Raubes und versuchten Mordes aus dem Gefängnis entlassen worden war.
Dave war in Hollis, Queens, zur Welt gekommen und aufgewachsen. Es war ein schlechtes Viertel, und viele Jugendliche waren kriminell. Er war erst sechzehn, als er und sein Vetter ein Geschäft ausraubten. Auf der Flucht versuchte ein Polizist außer Dienst, seinen Vetter aufzuhalten. Dave zufolge zog der Junge eine Pistole und richtete sie auf den Polizisten, aber der Beamte konnte später nicht genau sagen, wer von beiden das getan hatte. Dave war über ein Jahr lang auf der Flucht, wurde aber schließlich doch geschnappt. Er lehnte es ab, seinen Vetter zu belasten, also wurde er nach dem Erwachsenenstrafrecht wegen versuchten Mordes verurteilt.
Er verbrachte sechseinhalb Jahre in verschiedenen New Yorker Haftanstalten. Es war nicht das erste Mal, dass er hinter Gittern saß. Zuvor hatte er bereits eine zweijährige Jugendstrafe verbüßt, also war er es gewohnt, eingesperrt zu sein. Die meisten Kids aus seinem Viertel landeten früher oder später einmal im Gefängnis.
Mir war das egal. Ich tat möglichst alles, was meinem Vater gegen den Strich gehen würde. Ich dealte mit Drogen, feierte die Nächte durch, ging mit einem bösen Jungen und hatte bei alledem großen Spaß. Dave war anders als die anderen Jungen, die ich kannte. Er hatte einen gewissen Schick, den ich zuvor noch nicht gesehen hatte, und das zog mich magisch an. Er war anders aufgewachsen als ich und in einer anderen Kultur groß geworden. Damals flog ich auf alles, was »anders« war. Wir scherzten darüber, was wir als Pasta bezeichneten. Ich sagte Makkaroni, Dave sagte Nudeln. Die Beziehung war frisch. Sie passte zu dem, was ich tat.
Ich verkaufte Gras, und nun hatte ich auch noch einen Freund frisch aus der Strafanstalt. Dave war eine andere Art Gangster als mein Vater. Er war eher ein Straßengauner.
Dave umgab sich mit seinen eigenen Leuten. Er versuchte nie, mich ins Sparks Steak House auszuführen, wo sich immer noch die ganzen Möchtegerngangster trafen – trotz des Mordes an Paul Castellano vor dem Restaurant, der inzwischen über ein Jahrzehnt zurücklag. Dave war nicht sehr fordernd, was meinem neuen Goldstandard nach dem besitzergreifenden Lee entsprach.
Dave passte zu meinem Lebensstil. Ich wollte nichts Festes, und das ging in Ordnung mit ihm. Er war mit dem HipHop-Jam-Master Jay befreundet und hatte viele Kontakte in der Musikindustrie. Es machte Spaß, mit ihm zusammen zu sein. Obendrein kannte er viele Leute und konnte uns helfen, ein wenig Gras zu verkaufen, was auch nicht schlecht war.
Christina und ich bezogen unser Zeug aus Spanish Harlem und die mittlere Qualität aus Staten Island. Ich hatte das Gefühl, mein Leben nun endlich in die eigenen Hände genommen zu haben. Ich hatte einen festen Tagesablauf, den ich nach meinem eigenen Dafürhalten strukturierte. Ich fühlte mich nicht mehr wie die Mafia-Prinzessin, die ich als kleines Mädchen gewesen war. Damals hatten mich die Leute regelrecht hofiert. Ich war in Restaurants gegangen, wo man feinstes Silberbesteck deckte, wenn ich zu Gast war, weil jeder wusste, wer mein Vater war.
Nun fühlte ich mich selbst als Boss. Christina und ich hatten eine vollkommen neue Unterwelt betreten, in der wir mit Gangstern zu tun hatten, die keine
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