Magazine of Fantasy and Science Fiction 08 - Irrtum der Maschinen
aus.
»Gregory ist sehr froh, Sie hier zu sehen, Miss Brown«, erklärte Mr. Huntington, »aber er ist äußerst scheu. Er ist nicht an Menschen gewöhnt. Er hat nie mit anderen Kindern gespielt, wegen seiner unglücklichen –«, und seine Stimme wurde noch leiser, obgleich dazu keine Veranlassung schien, da Gregory anscheinend nicht Englisch verstand, »– wegen seiner unglücklichen Erscheinung.«
In diesem Augenblick wußte ich, daß ich, ganz gleich, was auch immer geschah, zu Gregory halten würde.
Ich zog mich in mein Zimmer zurück, um mich für das Essen etwas herzurichten. Der Raum war groß. Durch die Fenster sah man auf einen verschneiten, vernachlässigten Garten; tief unten im Tal lag der mit Eis bedeckte Hudson; die Wände waren mit blauer und rosa Tapete bespannt. Ein dicker orientalischer Teppich mit bunten Blumenmustern auf einem hellen roten Untergrund bedeckte den Fußboden. Das Bett war aus massivem Mahagoniholz; darauf lag eine Decke aus gelbem Organza – nicht gerade eine glückliche Kombination mit den purpurroten Brokatvorhängen. Der Toilettentisch war aus modernem Holz und mit schwenkbaren Spiegeln versehen. An den Wänden hingen einige Drucke aus einem illustrierten Magazin, zwei davon verkehrt herum. Ich begann zu fürchten, daß Mr. Huntington mehr als kurzsichtig war.
Nachdem ich mein bestes schwarzes Kleid angezogen hatte, kämmte ich mein nußbraunes Haar, und dabei versuchte ich mich in den Spiegeln zu betrachten, die mein Bild unzählige Male reflektierten. Dann stieg ich die langen, gebohnerten Treppen hinunter. Auch der andere Teil des Hauses schien in ähnlicher Weise eingerichtet zu sein wie mein eigenes Zimmer; die primitivsten Möbel vermischten sich mit den modernsten Errungenschaften der Technologie. Anscheinend hatte Mr. Huntington nur die Einrichtungen einbauen lassen, die er für unbedingt notwendig hielt. Aber was dem Haus am meisten fehlte, war die Hand einer Frau.
Mr. Huntington und ich aßen an einem riesigen Tisch, wir saßen einander gegenüber. Über uns hing ein riesiger Kristallüster mit nur einer schwachen Birne. Die Mahlzeit bestand aus gewöhnlichem Automatenessen. Seltsam, dachte ich, daß Mr. Huntington auf einem lebenden Lehrer für seinen Sohn bestand, anstatt sich einen Koch zuzulegen.
Wir unterhielten uns über das Wetter: daß der Schnee nicht mehr lange liegenbleiben würde, daß der Kaffee vom Merkur nicht so gut war wie der brasilianische, daß sich moderne Maler nicht mit den alten Meistern messen konnten. Und dann endlich waren wir mit dem Essen fertig. Mr. Huntington erhob sich. »Entschuldigen Sie mich«, sagte er mit seiner heiseren Stimme, »aber ich muß meine Versuche weiterführen. Ich bin nämlich Wissenschaftler wissen Sie.«
Ich war erleichtert, dies zu hören, denn dadurch erklärte sich sein etwas exzentrisches Benehmen. Einem Genie sieht man vieles nach.
»Mein Laboratorium befindet sich im obersten Stock. Das ganze übrige Haus dürfen Sie betreten, aber ich würde es begrüßen, wenn Sie das Dachgeschoß nicht aufsuchten.«
»Natürlich – es würde mir nicht im Traum einfallen, einzudringen ...«
»Sie könnten sich verletzen«, unterbrach er mich. »Ich besitze eine Menge Instrumente, von denen viele einem Laien gefährlich werden können.«
»Sicherlich wäre doch der Keller ein viel günstigerer Ort für ein Labor?«
»O nein! Wenn Explosionen vorkommen, wirken sie sich doch immer nach oben hin aus, niemals nach unten. So ist es viel sicherer, das können Sie mir glauben.«
»Mit welcher Art von Wissenschaft befassen Sie sich, Mr. Huntington?« fragte ich, selbst erstaunt über meinen Mut.
»Ich bin ein ... ein Ingenieur für Robotik, Miss Brown. Ich bemühe mich, eine ... denkende Maschine zu bauen, die eine ganze Zahl von Funktionen übernehmen kann und die ohne Aufsicht oder Anweisung arbeitet.«
»Aha«, sagte ich und versuchte, meine Enttäuschung zu verbergen. Natürlich war es dumm von mir, aber ich hatte gehofft, etwas viel Außerordentlicheres zu hören.
Nachdem er gegangen war, setzte ich meine Brille auf und durchstöberte die Bibliothek. Sie erwies sich als sehr umfangreich; die Regale reichten bis zur Decke. Sehr wenige der Bände waren nach dem 19. Jahrhundert geschrieben. Die meisten der Bücher schienen aus öffentlichen Bibliotheken zu stammen. Ich fühlte mich immer mehr zu den Huntingtons hingezogen, denn ich hatte selbst gelegentlich Bücher aus Bibliotheken gestohlen. Einige der Bücher
Weitere Kostenlose Bücher