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Magazine of Fantasy and Science Fiction 08 - Irrtum der Maschinen

Magazine of Fantasy and Science Fiction 08 - Irrtum der Maschinen

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 08 - Irrtum der Maschinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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genagelten Schuhen, ihrem gebückten Gang. Er fühlte, daß sie mit der Natur lebten, die ihnen Ruhe und Frieden schenkte. Er beneidete sie darum.
    Als er Belgrave Square erreichte, war der Himmel über ihm von einem fahlen Blau, und in den Gärten begannen bereits die Vögel zu zwitschern.
     
     
3
     
    Als Lord Arthur erwachte, war es gerade zwölf Uhr; durch die elfenbeinfarbenen Seidenvorhänge seines Zimmers schien die Mittagssonne. Er stand auf und blickte aus dem Fenster. Ein leichter Dunst hing über der Stadt, die Dächer der Häuser blinkten wie Silber. Auf dem Platz vor seinem Haus hüpften Kinder wie weiße Schmetterlinge hin und her, auf dem Geh steig drängten sich Menschen, die auf dem Weg zum Park waren. Niemals war ihm das Leben schöner erschienen; niemals waren ihm die Dinge des Bösen entfernter vorgekommen.
    Dann brachte ihm sein Diener eine Tasse Schokolade. Nach dem er sie ausgetrunken hatte, zog er eine schwere Portiere aus pfirsichfarbenem Plüsch beiseite und betrat das Badezimmer. Weich fiel das Licht durch die durchsichtigen Deckenplatten ein, das Wasser in der marmornen Wanne schimmerte wie Mondgestein. Hastig ließ er sich ins Wasser gleiten, bis das kühle Naß Kehle und Haar berührte; und dann tauchte er auch den Kopf unter, als würde dies helfen, die unangenehme Erinnerung auszulöschen. Als er aus dem Wasser stieg, fühlte er sich ruhig und voller Frieden. Das angenehme körperliche Gefühl beherrschte ihn im Augenblick völlig.
    Nach dem Frühstück warf er sich auf einen Diwan und zündete sich eine Zigarette an. Auf dem Kaminsims stand, in einem alten Rahmen, ein großes Foto von Sybil Merton, so wie er sie zum erstenmal auf Lady Noels Ball gesehen hatte. Der schmale Kopf war leicht zur Seite geneigt, als wäre so viel Schönheit für den schlanken Hals zu schwer. Die Lippen waren ein wenig geöffnet; aus den verträumten Augen blickte die zarte Reinheit des Mädchenhaften. In ihrem weichen, enganliegenden Kleid aus crepe-de-chine und mit dem großen Fächer sah sie wie eine jener zarten kleinen Figuren aus, die man in den Olivenhainen nahe Tanagra findet; alles in allem wirkte sie wie eine klassische Statue. Und doch war sie nicht etwa klein. Sie war nur vollkommen ebenmäßig gebaut – etwas Seltenes in einer Zeit, in der so viele Frauen entweder zu üppig oder zu unscheinbar erschienen.
    Als Lord Arthur sie jetzt betrachtete, erfüllte ihn das furcht bare Mitleid, das aus der Liebe geboren wird. Er fühlte, daß es einem Verrat wie dem von Judas gleichkommen würde, wenn er sie jetzt heiratete, da das Verhängnis des Mordes über seinem Haupte schwebte. Wie konnten sie glücklich sein, wenn er jeden Augenblick gerufen werden könnte, die furchtbare Prophezeiung, die in seiner Hand geschrieben stand, zu erfüllen? Was für ein Leben könnten sie führen, wenn das Schicksal mit dieser gräßlichen Tat ihrer harrte? Die Heirat mußte auf jeden Fall verschoben werden. Darüber war er sich völlig einig. Er war sich der Tatsache völlig bewußt, daß er kein Recht hatte, sie zu heiraten, solange er die Tat noch nicht begangen hatte. Danach könnte er mit Sybil Merton vor den Altar treten und sein Leben ohne Angst vor der Zukunft in ihre Hände legen. Aber zuerst mußte es getan werden; je eher, um so besser für sie beide.
    Viele Männer in seiner Position hätten den Rosenpfad des leichten Lebens den steilen Höhen der Pflicht vorgezogen, aber Lord Arthur war zu gewissenhaft, um das Vergnügen dem Prinzip voranzustellen. In seiner Liebe zu Sybil lag mehr als bloße Zuneigung; sie war für ihn ein Symbol für alles, was gut und edel war. Einen Augenblick lang verspürte er eine natürliche Abneigung gegen das, was zu tun ihm auferlegt war. Aber das ging bald vorüber. Sein Herz sagte ihm, daß dies nicht eine Sünde war, sondern ein Opfer; seine Vernunft erinnerte ihn daran, daß es für ihn keinen anderen Weg gab. Er mußte wählen: zwischen einem Leben für sich selbst und dem für andere; und wie entsetzlich die Aufgabe, die ihm gestellt war, auch immer sein mochte, so wußte er doch, daß er seine Selbstsucht nicht über die Liebe triumphieren lassen durfte. Früher oder später müssen wir uns alle einmal darüber entscheiden – jedem von uns wird die gleiche Frage gestellt. Lord Arthur erfuhr sie schon sehr früh im Leben – bevor er vom Zynismus der späteren Jahre erfüllt war, oder bevor sein Herz von der seichten Selbstgefälligkeit, die für unsere Zeit so typisch

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