Magazine of Fantasy and Science Fiction 08 - Irrtum der Maschinen
ist, verätzt wurde, und er zögerte nicht, seine Pflicht zu tun. Zum Glück, für ihn selbst, war er auch kein Träumer oder müßiger Dilettant. Wäre er das gewesen, so hätte er gezögert, wie Hamlet, und die Unentschlossenheit sein Vorhaben beeinträchtigen lassen. Aber er war von Grund auf praktisch veranlagt.
Die wilden, verworrenen Gefühle der vergangenen Nacht waren inzwischen völlig verschwunden, und er erinnerte sich jetzt fast voller Scham an seine Wanderungen durch die Straßen, seine Verzweiflung. Seine Qual schien ihm jetzt beinahe unwirklich. Er wunderte sich darüber, wie er so dumm hatte sein können, sich derart über das Unvermeidbare aufzuregen. Die einzige Frage, die ihm Sorgen zu machen schien, war, wen er beseitigen sollte; denn er verschloß sich nicht der Tatsache, daß Mord, genauso wie die Religionen der heidnischen Welt, einen Priester wie auch ein Opfer erfordert. Da er kein Genie war, hatte er auch keine direkten Feinde; und er fühlte auch, daß dies nicht die Zeit war, irgendwelche Antipathien oder Haßgefühle zu befriedigen, da die Mission, die er zu erfüllen hatte, etwas Großes und Ernstes war. Er stellte auf einem Stück Papier eine Liste all seiner Freunde und Verwandten zusammen, und nach sorgfältiger Überlegung entschied er sich für Lady Clementina Beauchamps, eine liebe alte Dame, die in der Curzon Street wohnte und seine Cousine zweiten Grades war. Er hatte Lady Clem, wie sie jeder nannte, stets sehr gern gehabt, und da er selbst sehr wohlhabend war – er hatte, als er volljährig wurde, Lord Rugbys gesamtes Vermögen geerbt –, würde er durch ihren Tod keine finanziellen Vorteile erzielen. Ganz im Gegenteil, je mehr er über die Angelegenheit nachdachte, um so überzeugter war er davon, daß sie die richtige Person war, und da er Sybil gegenüber jegliche Verzögerung als unfair betrachtet hätte, entschloß er sich, sofort seine Vorkehrungen zu treffen.
Als erstes einmal mußte er natürlich die Angelegenheit mit dem Chiromanten regeln; er setzte sich an sein kleines Schreibpult, das dicht am Fenster stand, schrieb einen Scheck über 100 Pfund aus, zahlbar an Mr. Septimus Podgers, verschloß ihn in einem Kuvert und trug seinem Diener auf, dies zur West Moon Street zu tragen. Dann bestellte er seine Droschke. Er kleidete sich zum Ausgehen an. Als er das Zimmer verließ, blickte er noch einmal zu Sybil Mertons Foto und schwor sich, komme was wolle, daß er sie niemals wissen lassen würde, was er um ihretwillen tat, sondern daß er das Geheimnis seiner Selbstaufopferung stets wohlgeborgen und gehütet in seinem Herzen tragen würde.
Auf dem Weg zum Buckingham-Klub trat er in ein Blumengeschäft und ließ Sybil einen wunderschönen Korb Narzissen schicken. Im Klub angekommen, ging er direkt in die Bibliothek, klingelte dem Kellner und bestellte ein Soda mit Zitrone und ein Buch über Toxikologie. Er war zu dem Schluß gekommen, daß Gift bei diesem unangenehmen Geschäft das beste Mittel wäre. Jede Art von Gewalttätigkeit war ihm im tiefsten Grunde seines Herzens zuwider, und außerdem war er darauf bedacht, Lady Clementina so ins Jenseits zu befördern, daß ihr Tod kein Aufsehen erregen würde; genauso, wie er es haßte, von Lady Windermere als einer ihrer Schützlinge deklariert zu werden, genausowenig behagte es ihm, seinen Namen in den Gesellschaftsspalten der Zeitungen wiederzufinden. Er mußte auch Sybils Eltern berücksichtigen, die ziemlich altmodisch eingestellt waren und die die Heirat nicht billigen würden, wenn er in einen Skandal verwickelt worden wäre. Er hatte also allen Grund, sich für Gift zu entscheiden. Gift war sicher wirksam und schmerzlos. Es verhinderte laute, aufdringliche Szenen, die er, wie die meisten Engländer, verabscheute.
Über die Wissenschaft des Giftmischens wußte er jedoch so gut wie gar nichts, und als der Diener in der ganzen Bibliothek nichts auftreiben konnte, außer Ruff's Guide und Bailey's Magazine , untersuchte er selbst die Bücherregale und fand endlich eine hübsch gebundene Ausgabe der Pharmacopedia und einen Band von Erskine's Toxicology , herausgegeben von Sir Mathew Reid, dem Präsidenten des Königlichen Ärztekollegiums und einem der ältesten Mitglieder des Buckingham-Klubs.
Lord Arthur war über die technischen Ausdrücke, die in beiden Werken verwendet wurden, ziemlich erstaunt; er begann schon zu bedauern, daß er in Oxford den Klassikern nicht mehr Aufmerksamkeit gezollt hatte. Aber im Band von
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