Magermilch
sich daran was geändert hat.«
»Aha«, machte Sprudel. »Und denkst du, Willi hat seine Schwägerin Gisela, diese … diese Galionsfigur seiner Firma, so mir nichts, dir nichts gehen lassen und war zudem damit einverstanden, ihr einen vermutlich recht ansehnlichen Betrag auszuzahlen?«
»Ja, was ist ihm denn anderes übrig geblieben?«, antwortete Fanni. »Überdies ist das alles längst geregelt und notariell beglaubigt.«
»Falls aber«, verfolgte Sprudel störrisch seinen neuen Ansatz, »Willi während der Verhandlungen Gisela einen Haufen Schwierigkeiten gemacht hat, falls er vielleicht sogar durchgesetzt hat, dass Gisela weniger bekam, als sie forderte, könnte sie ihm ein tödliches Andenken hinterlassen haben. Wann ist sie denn ausgezogen?«
»Ende Mai, hat Martha erzählt«, sagte Fanni. »Kurz darauf hat Gisela den Hausschlüssel auf Tonis Schreibtisch gelegt und ist verschwunden.«
Sprudel nickte. »Zeitlich würde das hingehen. Marco hat mir berichtet, dass der Zeitrahmen, innerhalb dessen Stolzers Gurt manipuliert worden sein muss, circa zwei Monate beträgt. Experten können so was feststellen. Und sagtest du nicht, Gisela hätte diese Monogrammhüllen anbringen lassen? Mit einem mörderischen Hintergedanken womöglich?« Er hielt inne. »Was heißt ›verschwunden?‹«, fragte er. »Ohne Gepäck?«
»Mit Gepäck, aber ohne Hausrat, falls du das meinst«, antwortete Fanni.
Sprudel schüttelte verwirrt den Kopf. »Gisela Stolzer tut sich nach jahrzehntelanger, allem Anschein nach relativ zwangloser, sorgloser Ehe mit Toni Stolzer plötzlich mit einem anderen zusammen, gibt den Hausschlüssel ab und verlässt das Haus?«
Fanni grinste. »Warum nicht?«
Langsam schien Sprudel aufzugehen, dass diese Darstellung präzise die Situation beschrieb, die sich ergäbe, falls Fanni je den Entschluss fasste, Hans Rot zu verlassen, um mit ihm zu leben.
Er schluckte, zog beide Wangenfalten nach unten und sah damit aus wie ein trauriger Hamster.
Worüber brütet er denn jetzt?
Offensichtlich gelangte Sprudel zu dem Schluss, dass Gisela als Willi Stolzers Mörderin durchaus in Frage kam, denn er begann aufzuzählen:
»Bis vor ein paar Wochen hatte Gisela Stolzer Tag und Nacht Gelegenheit, an Willis Klettergurt zu kommen. Über die Klettersteigreportage hat sie sicherlich Bescheid gewusst. Mit den Namenshüllen, die sie auf allen Klettergurten anbringen ließ, hat sie den Boden für die Manipulation an der Schlaufe von Willis Gurt bereitet. Sogar ein Motiv lässt sich bei ihr finden …« Seine Stimme versandete.
Fanni kam ihm zu Hilfe. »Ihre Aussage dürfte interessant sein.«
»Und wie«, rief Sprudel. »Höchste Zeit, dass sich Marco, dass wir … dass sich jemand mal mit Gisela unterhält.«
»Sowieso«, antwortete Fanni. »Aber dazu müsste dieser Jemand wissen, wo sie ist.«
Sprudel sah sie verdutzt an. »Gisela wird doch eine Anschrift hinterlassen haben. Die Post muss ihr nachgeschickt werden, Zahlungen …«
»Martha sagt«, erwiderte Fanni, »die gesamte Post wird an die Adresse von Giselas Eltern weitergeleitet. Die Unterhaltszahlungen laufen auf das Konto einer ›Alfa Filmwelt‹ bei einer Bank am Wohnort der Eltern. Sie leben seit etlichen Jahren in einem Dörfchen im Rheinland.«
Sprudel hob die Hände. »Aber Gisela muss doch jemandem erzählt haben, wohin sie geht.«
»Zu Martha hat sie gesagt, sie geht auf Reisen«, antwortete Fanni. »Um Tonis Exfrau verhören zu können, wird die Polizei sie zur Fahndung ausschreiben müssen.«
»Dazu fehlen wohl ein paar Voraussetzungen«, meinte Sprudel und sah auf die Uhr. »Fanni, es geht schon auf zwei zu. Ehrlich gesagt, ich kann nicht mehr vernünftig denken, weil mein Magen so knurrt.«
Fanni sprang auf. »Tut mir leid, Sprudel. Ich hatte wirklich nicht die Absicht, dich verhungern zu lassen.«
Es passierte nur zu oft, dass Fanni zu essen vergaß, wenn sie intensiv mit etwas beschäftigt war.
In solchen Fällen kommen dann die Vorzüge von Hans Rot zum Tragen, der auf mindestens drei Mahlzeiten täglich besteht – und das pünktlich!
Falls er zu Hause ist, korrigierte Fanni die Gedankenstimme, die schon wieder ungebeten schwatzte.
Sprudel pumpte Wasser vom Brunnen und trug den vollen Krug ins Hütterl. Fanni goss gut die Hälfte davon in einen Aluminiumtopf, während er den Gaskocher anzündete.
An Sommertagen wie diesem, an denen es sich erübrigte, den Holzofen anzuheizen, benutzte Fanni ihren alten Campingkocher, wenn sie
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