Magermilch
wie unsinnig diese Verknüpfung ist!
»Der Chef und sein Geschäftsführer«, sagte Sprudel. »Wer könnte beide aus dem Weg haben wollen? Toni Stolzer?«
»Möglich«, antwortete Fanni. »Aber ehrlich gesagt, traue ich Toni keinen Mord zu. Außerdem hat Martha gesagt, dass er zu dem Zeitpunkt, als Maurer angegriffen wurde, unterwegs nach Vilshofen war.«
»Was, wenn nicht?«, sagte Sprudel. »Toni rangiert in der Verdächtigenliste ziemlich weit oben. An Willis Gurt kam er ebenso leicht wie Martha, von Willis geplanter Fotoreportage wusste er bestimmt, und das Betriebsgelände der Stolzers ist sein Revier. Fragt sich: Was hätte er für ein Motiv?«
»Martha erwähnte, dass sie und Willi hinsichtlich Fritz Maurer eine ganz andere Meinung hatten als Toni. Als wir später noch mal darauf zu sprechen kamen, sagte sie, dass Toni sie mehr und mehr gedrängt hat, den Geschäftsführer wieder zu entlassen. Sie und ihr Mann hätten ihm zwar immer wieder gesagt, wie tüchtig Fritz Maurer sei, aber Toni ließ sich nicht umstimmen. Martha fand das sehr seltsam.«
Fanni verstummte kurz, dann fuhr sie fort: »Nehmen wir mal an, Toni hätte beschlossen, den Geschäftsführer zu erschlagen, dann wäre die Lagerhalle ein recht geeigneter Ort dafür gewesen. Er konnte aus- und eingehen, ohne im Mindesten aufzufallen. Er musste nur warten, bis Maurer auftauchte, um Bestand nachzuprüfen oder bestellte Ware zu kennzeichnen, und den Zeitpunkt nutzen, an dem sich der Staplerfahrer an der Rampe befand. In den Hallen arbeitet ja niemand. Martha sagt, Verladearbeiter wurden wegrationalisiert. Die Ware befindet sich in Packen auf Paletten, fertig zum Transport. Toni konnte also zuschlagen und verschwinden, ohne Aufsehen zu erregen. Seinen Termin in Vilshofen konnte er vermutlich trotzdem einigermaßen pünktlich wahrnehmen. Man müsste einmal das Zeitfenster prüfen.«
Sprudel blickte nachdenklich vor sich hin. »Was Toni Stolzer wohl gegen den Geschäftsführer hat?«
»Martha sagt, er kann ihn schlicht und einfach nicht ausstehen. Und Willi vertrat vehement die Ansicht, das sei kein Grund, einen so tüchtigen Mann zu entlassen.«
»Vielleicht hatte Toni Stolzer ganz private Gründe für seine Abneigung gegen Maurer«, sagte Sprudel. »Vielleicht hat Maurer versucht, mit seiner Frau anzubändeln.«
»Vielleicht«, antwortete Fanni. »Aber dann müsste es diesmal anders gelaufen sein als sonst.«
Sprudel wartete, dass sie weitersprach.
»Gisela war, solange ich sie kannte, enorm daran gelegen, sämtliche Blicke auf sich zu ziehen«, erzählte Fanni. »Sie kokettierte und flirtete auf Teufel komm raus. Damit hat sie manchen Kerl verrückt und manche Ehefrau eifersüchtig gemacht. Nur Toni ließ das alles kalt.«
»Hm«, machte Sprudel. »Toni Stolzer sieht Fritz Maurer und Gisela miteinander tändeln, aber diesmal lässt es ihn nicht kalt. Er fürchtet ernstlich, der Geschäftsführer könnte ihm die Frau ausspannen, und versucht, dem Ganzen einen Riegel vorzuschieben, indem er Willi drängt, Maurer zu entlassen.«
»Willi weigert sich«, spann Fanni den Faden weiter. »Es gibt Ärger zwischen den beiden. Aber was passiert dann? Gisela verlässt Toni, und wir sind am Ende der Geschichte. Denn Toni hat jetzt keinen Grund mehr, den Geschäftsführer weghaben zu wollen. Folglich sind auch die Differenzen zwischen den beiden Brüdern beigelegt.«
»Das waren sie aber nicht«, entgegnete Sprudel. »Denn Toni ist immer noch für die Entlassung des Geschäftsführers.« Er sah Fanni geradezu schuldbewusst an. »Die uns zur Verfügung stehenden Informationen ergeben nur dann Sinn, wenn Toni ein Verhältnis mit Martha hat, Fritz Maurer davon weiß und annimmt oder sogar beweisen kann, dass die beiden Willi auf dem Gewissen haben.«
Es wurde still unter der Buche.
Nach einer Weile sagte Sprudel: »Ich frage mich, wie Giselas Trennung von Familie und Firma wohl verlief. Hat sie im Betrieb mitgearbeitet?«
»Seit ihrer Hochzeit mit Toni konnte man Gisela als das ›Gesicht‹ der Firma Stolzer und Stolzer bezeichnen«, antwortete Fanni. »Sie war das Aushängeschild, die Empfangschefin, die Eventmanagerin. Auf jedem Werbeprospekt der Firma war Gisela abgebildet. Wenn über Stolzer und Stolzer etwas in der Zeitung stand, befand sich Gisela garantiert im Mittelpunkt des dazugehörigen Fotos. Martha dagegen saß von jeher bloß still hinter ihrem Schreibtisch. Öffentliche Auftritte waren ihr zuwider. Ich kann mir nicht vorstellen, dass
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