Magermilch
Bauer, dem man draufkommt, dass er mit seiner verdorbenen Milch einen Zehntausendlitertank verseucht hat, der kann einpacken – ein für alle Mal.«
Fanni sah ihn forschend an. »Und ist es auch schon vorgekommen, dass sich die Milch nach Gabe von Medikamenten verfärbt hat?«, fragte sie.
Der Bauer zuckte die Schultern. »Ich selbst hab’s noch nicht erlebt. Aber wer weiß, was eine Arznei alles fertigbringt.«
Aus dem Stall kam ein Muhen, dann schoss Ivo heraus. »Bauer, Bauer, bei der Resi ist es bald so weit.«
»Ja dann«, meinte der Bauer, »dann schauen wir uns die Sache mal an. Wollen Sie mitkommen, Frau Fanni?«
»Lieber nicht«, sagte Fanni und wandte sich erneut zum Gehen. Da fiel ihr Max ein. Sie drehte sich wieder um.
Klein feixte. »Also den Buben, den kriegen Sie jetzt nicht weg, Frau Fanni.«
Max kam zwar wie versprochen am Mittag heim, bestand aber darauf, den Nachmittag wieder auf dem Klein-Hof zu verbringen.
»Die Resi kälbert, da wird jede Hand gebraucht – dringendst.«
»Und hier zum Essen werden saubere Hände gebraucht, allerdringendst«, erwiderte Fanni. »Nicht solche mit Dreckspuren und Grasflecken drauf.«
Max trottete ins Badezimmer.
Er wird bis zum Abend bleiben wollen!
Und was wäre dagegen einzuwenden?
Das musst du Hans Rot fragen!
Max schien zu wissen, wie man unliebsamen Debatten aus dem Weg ging. Er wartete, bis sein Großvater wieder auf dem Weg ins Büro war, bevor er aus dem Haus flitzte.
Während Max über die Wiese zum Hof sprintete, öffnete Fanni die Garage und begann, Bergschuhe, Steigeisen und Pickel aufzusammeln. Sie trug die gesamte Ausrüstung in den Garten und breitete alles neben der Wassertonne aus. Dann holte sie eine Bürste und fing an, den ersten Bergschuh zu schrubben.
Hinter der Hecke hockte Frau Itschko mit ihrem tragbaren Telefon.
Fanni horchte kurz hin, lauschte, ob neuerlich Giselas Name fallen würde, aber Frau Itschko war offenbar dabei, eine Einkaufstour zu beschreiben, die sie am Vormittag gemacht hatte. »… war die gleiche Bluse um zehn Euro teurer, stell dir bloß vor, genau die gleiche Bluse!«
Daraufhin versuchte Fanni, die Stimme der Nachbarin auszublenden, und halbwegs gelang es ihr auch.
Hans Rot kann das gar nicht, dachte sie müßig. Es ärgert ihn total, wenn Frau Itschko hier draußen zu telefonieren anfängt. Meist rennt er ins Haus und schließt die Verandatür. Bei den Itschkos beschwert hat er sich allerdings noch nie darüber.
Und das liegt daran, dass Frau Itschko mit dem Juniorchef vom Autohaus Haber verheiratet ist, wo Hans seinen BMW least!
Fanni wusch soeben die gröbsten Schmutzspuren von den Steigeisen, da hörte sie Frau Itschko sagen: »… ein Goldkettchen um den Hals, und alle Weiber sind hinter ihm her.«
Sie horchte auf.
Frau Itschko begann, besagten Halsschmuck en détail zu beschreiben, doch nach ein, zwei Sätzen wurde ihre Stimme von einem Tuckern übertönt. Bene kurvte mit dem Traktor über die Wiese.
»… nein, neu auf dem Tennisplatz«, vernahm Fanni als Nächstes.
»… vorher nie gesehen. – Ja, wir haben zusammen einen Kaffee getrunken, und dabei hat er mir den Vorschlag gemacht. – Nein, für eine Filmrolle muss man nicht zwanzig sein. Das Einzige, was man dafür braucht, ist die richtige Ausstrahlung. Gisela ist auch keine zwanzig. – Sie ist in diesem Jahr dreiundvierzig geworden. – Nein, sieht man ihr nicht an. – Flotter Feger, ja so kann man sagen. – Ja, sie soll fest unter Vertrag sein bei Alfa-Film. – Eine Woche, höchstens zwei, das könnte ich schon schaffen.«
Fanni ließ sich auf einen der Gartenstühle fallen. Durfte sie über den Verdacht, der in ihrem Kopf keimte, noch Schweigen bewahren?
Was wäre von einem Gedankenaustausch mit Sprudel zu halten?
Nichts, dachte Fanni. Ich will nicht, dass er jetzt schon erfährt, was auf dem Venediger-Gletscher passiert ist; will nicht, dass er sich noch mehr Sorgen macht, als er es ohnehin tut. Bei vergangenen Ermittlungen bin ich zu oft in Gefahr geraten, habe ihn zu oft in Angst und Schrecken versetzt, und diesmal wurde zu allem Unglück auch noch Leni mit hineingezogen, diesmal hätte es beinahe sie getroffen.
Fanni stöhnte. Sobald das Bild ihrer den Steilhang hinunterrutschenden Tochter vor ihr auftauchte, musste sie sich an irgendetwas festhalten, um nicht in unkontrolliertes Zittern zu verfallen. Sie packte den Griff eines Eispickels.
Als sie sich wieder in der Gewalt hatte, warf sie einen Blick auf die Uhr
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