Magermilch
als er in seinem Pyjama und in Lenis Plüschbärenpantoffeln zu Fanni in die Küche geschlurft kam.
»War das Wochenende mit Opa nicht schön?«, fragte Fanni.
»Doooch, schon«, meinte Max. »Aber wir sind so viel unterwegs gewesen, dass ich überhaupt gar nicht Zeit gehabt hab, auf dem Klein-Hof beim Melken zu helfen.«
Fanni sah ihren Enkel mitfühlend an. Hans Rot hatte sich wohl schwer ins Zeug gelegt, Max von »Bauer Klein, dem Strolch«, von »dessen Sohn, dem Kretin« und von »Ivo, dem Tschechenbankert« fernzuhalten.
»Wenn ich angezogen bin, geh ich aber gleich rauf zum Hof«, verkündete Max.
Fanni stellte eine Schale mit Müsli vor ihn hin. »Sobald du aufgegessen hast, ziehst du am besten die alte Jeans an, die wir neulich Stallhose getauft haben. Danach kannst du bis Mittag Kühe betreuen. Zum Essen stehst du pünktlich hier auf der Matte, okay?«
»Klaro«, antwortete Max. »Soll ich vielleicht Eier mitbringen vom Hof, oder Rüben oder so was?«
Fanni wollte schon verneinen, da fiel ihr etwas ein. »Bring bitte Kartoffeln mit. Ein Dreikilosäckchen wirst du schon tragen können.«
Max löffelte in Windeseile sein Müsli, saugte seine Teetasse leer und trollte sich nach oben, von wo er drei Minuten später in Jeans und T-Shirt wieder herunterkam.
»Tschüss, Oma.«
Moment, wollte Fanni rufen, Zähne putzen, Gesicht waschen, Haare kämmen. Aber die Haustür war schon ins Schloss gefallen.
Als ob es den Kühen nicht egal wäre, wenn Max ungewaschen bei ihnen im Stall erscheint. Sie machen ja auch keine Morgentoilette!
Beim nächsten Mal kommt er mir aber nicht so davon, nahm sich Fanni vor. Dann fing sie an, das benutzte Geschirr in die Spülmaschine zu räumen.
Zehn Minuten später klingelte es.
Max und Ivo standen draußen. »Der Bauer lässt fragen«, sagte Max, »was für Kartoffeln er dir herrichten soll. Da gibt es nämlich die –«
Ivo unterbrach ihn. »Wir haben zwei Sorten: Linda und Marianne. Linda kocht mehlig. Marianne kocht speckig. Marianne nimmt man hauptsächlich für Kartoffelsalat.«
Fanni vergaß zu antworten. Sie staunte wieder einmal, wie erwachsen der Adoptivsohn des debilen Hoferben wirkte, obwohl er doch kaum älter war als Max.
Ivo fuhr fort: »Der Bauer sagt, am gescheitesten wäre es, wenn Sie sich die Ware selber anschauen, Frau Rot. Außerdem haben wir heute erntefrischen Spinat vom Mistbeet.«
Fanni schlüpfte in ihre Gartenschuhe. »Da komm ich doch am allergescheitesten gleich mit.«
Beziehst du nicht seit Jahren wechselweise mehlige Linda und speckige Marianne von Bauer Klein?
Fanni lächelte in sich hinein. Dem Bauern war offenbar nach einem Plausch mit ihr, was er aber keinesfalls offen zugeben würde. Deshalb hatte er einen Umweg gewählt und sie eingeladen, seine Ware zu begutachten – falls sie Zeit dazu hatte. Sie wusste, dass er es ihr aber auch nicht übel nehmen würde, wenn sie die Bestellung Ivo einfach auftrüge.
Es verhielt sich jedoch zufällig so, dass Fanni selbst gern mit Bauer Klein reden wollte. Denn seit ihrem Besuch bei Giselas Mutter beschäftigte sie – in mehr oder weniger großen Abständen – die Frage, wie der halbe Viehbestand des Lehmackerbauern in einer einzigen Nacht hatte eingehen können. Von Bauer Klein erhoffte sie sich Aufschluss darüber.
»Ja, die Frau Fanni«, rief Bauer Klein, offenkundig erfreut, sie zu sehen.
Er hatte es Fanni nie vergessen, dass sie ihn, nachdem seine damalige Schwiegertochter erschlagen worden war, vor einer Mordanklage bewahrt hatte, und behandelte sie seither als VIP.
Dienstfertig ließ er seine Schubkarre voll Grünfutter im Stich und führte Fanni in die Scheune, wo die Kartoffeln lagerten.
Mit der linken Hand eine Linda befühlend, mit der rechten eine Marianne befingernd, erinnerte er Fanni an den gravierenden Unterschied zwischen den beiden Sorten und klärte sie über die diesjährige Qualität der Kartoffelernte auf: »Marianne ist heuer dickschaliger als sonst. Und Linda fällt kleiner aus. Direkt mickrig«, urteilte er und wog ein Kartöffelchen aus der rechten Schütte in der Hand. »Die Hauptsache wissen Sie ja. Wie sie sich beim Kochen unterscheiden, meine ich. Für Pommes, sagt die Olga …«
Es fehlt wohl nicht viel, und er kocht dir von jeder Sorte eine als Kostprobe, damit du auch den Geschmack vergleichen kannst!
Fanni hörte Bauer Klein aufmerksam zu und teilte ihm dann mit, dass sie ein Säckchen Linda haben wolle.
»Richt ich Ihnen her, Frau Fanni«, sagte
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