Magermilch
der Bauer. »Drei Kilo Linda. Der Ivo bringt Ihnen das Sackerl sofort ins Haus. Sie brauchen ja die Kartoffeln bestimmt fürs Mittagessen.«
Fanni schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Es hat wirklich keine Eile. Sie müssen den Buben nicht extra zu mir runterschicken. Der Max kann das Sackerl mitbringen, wenn er heimgeht – um zwölf.«
Als Fanni hinter dem Bauern aus der Scheune trat, sah sie Ivo mit dem Grünfutter soeben im Stall verschwinden.
»Sie müssen sicherlich enorm darauf achten, Bauer, dass sich keine Giftkräuter ins Futter schleichen.«
»Giftkräuter?« Der Bauer sah Fanni an, als hätte sie ihn mit der Mistgabel gestochen.
»Ja, Giftkräuter«, bestätigte Fanni. »Nicht weit von dem Ort entfernt, wo meine Tochter Vera jetzt wohnt, gibt es einen Bauern, dem ist einmal ein ganzer Stall voll Kühe eingegangen, weil das Grünfutter mit Giftkräutern vermischt war. Ein paar der Tiere haben wohl überlebt, aber die gaben dann nur noch Magermilch.«
Bauer Klein prustete. »Frau Fanni, Frau Fanni, da hat Sie aber jemand ganz schön verkohlt. Das Grünzeug, das auf unsern Wiesen wächst, das vertragen die Rindviecher erstklassig, da fehlt gar nix. Außerdem sind die recht wählerisch. Die fressen keinen Hahnenfuß und keine Odelblegern. Was denen nicht schmeckt, das sortieren die aus.«
»Odelblegern?«, fragte Fanni.
»Na ja, das ist so ein Gewächs mit großen harten Blättern«, erklärte Klein, »eins, das jeder Bauer hasst, weil es auf der Weide die saftigen Grashalme verdrängt.« Er legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. Dann sagte er bekümmert: »Es fällt mir einfach nicht ein, Frau Fanni. Ich komm einfach nicht drauf, wie man zu den Odelblegern auf Hochdeutsch sagt.«
»Macht ja nichts«, antwortete Fanni gedankenverloren. »Und Kühe fressen wirklich nichts, was ihnen schaden würde?«
Bauer Klein begann, den Kopf zu schütteln, aber plötzlich hielt er inne. »Na ja, im Frühling, wenn man sie das erste Mal auf die Weide lässt, da übertreiben sie es gern mit dem Klee. Nicht dass der Klee einer Kuh schaden tät, aber wenn sie zu viel davon frisst, kriegt sie Blähungen. Das Gas, das sich im Magen bildet, könnt ihr – wenn’s nicht rauskann – Herz und Lunge abdrücken. Manchmal hilft dann nur ein Schlauch …«
Bauer Klein brach ab und sah Fanni, die versonnen einen Kieselstein vom Pflaster vor der Scheunentür wegkickte, verschmitzt an. »Wollen Sie ins Geschäft einsteigen, Frau Fanni?«
Fanni blickte ernst zurück und sagte: »Nein, aber mich würde interessieren, woran die Kühe in Stockheim eingegangen sind.«
Bauer Klein hob in einer abwehrenden Geste die Hände. »Ja, Frau Fanni, Krankheiten gibt’s genug. Da möchte ich mit dem Aufzählen lieber gar nicht anfangen.«
»Und wenn eine Kuh krank ist«, fragte Fanni, »wie wird sie denn dann wieder gesund?«
Bauer Klein klappte der Kiefer herunter. »Na, wie wir halt auch. Sie kriegt eine Medizin –«
»Und die nimmt sie ein?«, unterbrach ihn Fanni.
»Wenn der Tierarzt der Kuh die Medizin nicht spritzt, dann mischen wir sie halt ins Futter.«
Fanni tüftelte noch an ihrer nächsten Frage, da blinzelte ihr Bauer Klein zu. »Ich kann mir schon denken, auf was Sie hinauswollen, Frau Fanni. Aber Sie müssen sich mal vorstellen, dass Kühe Gras fressen, solange es Gras und Kühe gibt. Mit Gras kennen sie sich aus. Aber was ist mit einem Pulver, das man ihnen druntermischt? Das Pulver sagt der Kuh nix, und deswegen frisst sie es einfach mit – wenn es nicht grad nach Odelblegern schmeckt.«
»Verstehe«, sagte Fanni. »Danke, Bauer.« Sie wandte sich zum Gehen, doch Klein hielt sie mit einer Handbewegung auf.
»Und was die Milch betrifft, Frau Fanni: Also eins ist klar.« Er grinste. »Eine Kuh hat keine Zentrifuge im Bauch.«
Fanni nickte. Sie begriff, was der Bauer damit sagen wollte: Kühe gaben Kuhmilch, keine Molkereiprodukte.
»Aber«, sprach Klein weiter, »es kommt gar nicht selten vor, dass man die Milch von einer bestimmten Kuh nicht verwenden darf. Da hätten wir als Erstes die Biestmilch. Die gibt’s, wenn eine Kuh frisch gekälbert hat. Dann hätten wir da noch die Milch von kranken Kühen. Eitrige Milch zum Beispiel oder Milch nach Milchfieber. Und dann noch die Milch von Kühen, die mit Antibiotika behandelt worden sind. Denen ihre Milch darf sechs Wochen lang nicht in den Handel. Da geht es streng her, ganz streng. Das Gesundheitsamt nimmt laufend Proben aus den Milchtanks. Ein
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