Magermilch
zusammenfügen ließen.
Fanni Rot wagt nicht, gewisse Verknüpfungen herzustellen und gewisse Schlüsse zu ziehen, weil sie ihr selbst nicht geheuer sind!
Jedenfalls nicht vor fremden Ohren, ja nicht einmal vor Sprudels vertrauten, gab Fanni zu. Und aus all diesen Gründen, sagte sie sich, werde ich ein wenig Abstand zu ihm halten.
Sie griff zum Telefonhörer. Und jetzt ist der richtige Zeitpunkt, Sprudel beizubringen, dass bis zum Wochenende nur ein Stündchen am Nachmittag für ihn eingeplant ist.
Sprudel schlug einen Spaziergang zum Schloss von Offenberg vor.
»Ich werde auf dem Parkplatz neben der Autobahnbrücke auf dich warten«, bot er an.
Beide hingen unausgesprochenen Gedanken nach, während sie vom Garten der Taverne aus über eine steinerne Treppe zum Schloss hinaufstiegen.
Fanni fröstelte im feuchten Schatten der alten Bäume. Sie beschleunigte den Schritt. Schon bald überquerten sie die Brücke, die zum Schlosshof führte, und fanden sich an dessen Eingang einem versperrten Tor gegenüber.
Da mussten sie wohl oder übel wieder umkehren.
Bereits vierzig Minuten nach ihrer Ankunft standen Fanni und Sprudel schon wieder auf dem Parkplatz. Fanni öffnete die Fahrertür ihres Wagens.
Sprudel sah ihr so betrübt dabei zu, dass sie sich, statt einzusteigen, ihm zuwandte.
»Schau, Sprudel, ich hab doch zurzeit die Verantwortung für den Max«, sagte sie ernst. »Da kann ich nicht stundenlang von zu Hause wegbleiben, auch wenn der Bub die meiste Zeit im Kuhstall am Klein-Hof verbringt.«
»Das ist es nicht, Fanni«, entgegnete Sprudel ebenso ernst. »Ich würde doch auf keinen Fall wollen, dass du Max sich selbst überlässt.«
»Was ist es denn?«, fragte Fanni.
Sprudel zog heftig an seiner linken Wangenfalte.
Max würde jetzt sagen: Mann, der hat echt ein Problem!
Fanni hob beide Arme und legte sie um Sprudel. Er ließ seine Wangenfalte los, umfasste Fanni und schmiegte seine Wange an ihre Schläfe.
So standen sie da und schwiegen.
»Du bist so einsilbig, seit du aus den Bergen zurück bist«, sagte Sprudel nach einer Weile. »Du ziehst dich zurück, verkriechst dich. Willst du Willi Stolzers Tod nicht mehr aufklären? Hast du keine Lust mehr, wie früher sämtliche Aspekte des Verbrechens zu diskutieren, Hypothesen aufzustellen, ein wenig Ermittlungsarbeit zu leisten? Wollen wir uns über den Fall ausschweigen?«
»Keinesfalls«, verteidigte sich Fanni. »Obwohl ich den Eindruck habe, dass dir dieser Fall lästig ist, dass du dich viel lieber raushalten würdest.«
»Ich möchte, dass wir zusammenarbeiten«, sagte Sprudel darauf, »so wie wir es immer getan haben. Aber wie soll unsere Kommunikation funktionieren«, beklagte er sich, »wenn du alle deine Gedanken für dich behältst, wenn du brütest und grübelst und tüftelst und mich völlig aussperrst?«
Das tut ihm weh! Saumäßig weh sogar!
Fanni musste zwei Tränen wegblinzeln. Dann drückte sie Sprudel ganz fest an sich. »Ich wollte dich nicht kränken, Sprudel, wirklich nicht. Du bist mein bester, liebster, einziger Freund. Ohne dich kann ich mir mein Leben überhaupt nicht mehr vorstellen.«
Sprudel löste die Umarmung, behielt nur ihre Hände in den seinen und sah sie skeptisch an.
»Ich will dir auch meine Überlegungen zu diesem Mordfall nicht vorenthalten«, sagte Fanni. »Jedenfalls nicht, um dir wehzutun. Das Problem ist, dass ich sie nicht klar formulieren kann. In meinem Kopf tummeln sich Beobachtungen, Schussfolgerungen, Verdachtsmomente wie Moskitos überm Wassertümpel. Halb gedachte Gedanken wirbeln durcheinander und sind nicht unter einen Hut zu bringen.«
»In früheren Fällen«, erwiderte Sprudel traurig, »haben wir uns gemeinsam daran gemacht, ein solches Wirrwarr zu ordnen, Thesen zu akzeptieren oder zu verwerfen. Wir haben keine Ruhe gegeben, bis wir ein Muster hatten.«
»Das werden wir auch diesmal so machen«, antwortete Fanni. »Sobald Max wieder bei seinen Eltern ist, werden wir Zeit dazu haben.«
Willst du dir inzwischen etwa klammheimlich noch ein paar Antworten besorgen?
Als Hans Rot gegen fünf nach Hause kam, vermeldete er, dass er seinen Enkel heute mit zum Schützenabend nehmen wolle.
»Ein Kollege aus Grafenau gibt einen Einführungskurs im Bogenschießen. Das wird Max bestimmt gefallen. Buben sind verrückt nach Pfeil und Bogen.«
Fanni meinte zwar, dass sich Max im Moment mehr für Landwirtschaft und Viehzucht interessierte, widersprach jedoch nicht, als Hans hinzufügte, jeder Bub
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