Maggie O´Dell 01 - Das Boese
zurückgezogen.
„Zweifellos stehen Sie unter großer Anspannung, Christine, und das hier ist zusätzlicher Stress. Machen wir eine Werbeeinblendung, dann haben Sie Gelegenheit, sich wieder zu fangen.“
Darcy behielt ihr Lächeln bei, bis die Scheinwerfer heruntergedimmt wurden und der Regisseur ihr ein Zeichen gab. Dann brach ihr Zorn hervor, und ihre Miene war so finster, dass sich neue Linien in ihr Make-up gruben. Doch der Zorn richtete sich nicht gegen Christine, sondern gegen den großen, kahlköpfigen Mann. Christine schien Luft zu sein.
„Wohin zum Teufel führt das? Ich brauche etwas, womit ich arbeiten kann!“
„Habe ich Zeit, zur Toilette zu gehen?“ fragte Christine den Regisseur, und der nickte. Sie klippste das Mikrofon ab und legte es neben das abgelehnte Glas Wasser.
Darcy blickte zu ihr auf und warf ihr ein kurzes, künstliches Lächeln zu. „Machen Sie nicht zu lange. Hier läuft es nicht wie bei der Zeitung. Wir können nicht einfach die Maschinen anhalten. Wir senden live.“ Sie nahm das Glas und trank in kleinen Schlucken, um ihren Lippenstift nicht zu verschmieren.
Christine fragte sich, ob Darcy McManus ohne den Teleprompter überhaupt Timmys Namen kennen würde. Die hochbezahlte Moderatorin scherte sich weder um Timmy noch um Danny oder Matthew. Großer Gott, wie nah war sie daran gewesen, auch so zu werden?
Christine ging hinter die Bühne und wich sorgsam allen Kabeln und Leinen aus. Sobald sie aus dem Scheinwerferlicht heraus war, spürte sie einen kühlen Luftzug am Körper. Sie schritt den langen schmalen Flur hinunter, wich Bühnengehilfen aus, ging an den Garderoben vorbei, an den Toiletten und floh durch eine graue Metalltür mit der Aufschrift Ausgang.
66. KAPITEL
„Bin ich verhaftet?“ wollte Ray Howard wissen, während er sich auf dem harten Stuhl zurechtrückte.
Maggie musterte ihn. Seine blasse Haut ließ die Augen hervortreten - trübe Augen, wässerig-grau mit roten Adern, die Erschöpfung verrieten.
Die verhärteten Muskeln zwischen ihren Schultern schmerzten. Sie versuchte sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal geschlafen hatte.
In dem kleinen Verhörzimmer blubberte die Kaffeemaschine, und das Aroma von frischem Kaffee durchzog den Raum. Durch die staubigen Jalousien fiel ein orangeroter Strahl der untergehenden Sonne. Sie war seit Stunden mit Nick hier, stellte dieselben Fragen und bekam dieselben Antworten. Obwohl sie darauf bestanden hatte, Howard zum Verhör mitzunehmen, glaubte sie nicht, dass er der Mörder war. Sie glaubte lediglich, dass er etwas wusste und unter dem Druck der Verhörsituation auspackte. Nick jedoch war überzeugt, Howard sei ihr Mann.
„Nein, Ray, Sie sind nicht verhaftet“ , erwiderte Nick schließlieh.
„Sie dürfen mich nur eine bestimmte Anzahl von Stunden hier festhalten.“
„Und woher wissen Sie das, Ray?“
„He, ich sehe mir Homicide und NYPD Blue an. Ich kenne meine Rechte. Und ich habe einen Freund, der Cop ist.“
„Wirklich? Sie haben einen Freund?“
„Nick!“ ermahnte Maggie ihn.
Er verdrehte die Augen und schob sich den Hemdsärmel hoch. Sie bemerkte seine geballten Hände, offenbar konnte er sich kaum noch beherrschen.
„Ray, möchten Sie etwas von dem frischen Kaffee?“ fragte sie höflich. Der gut gekleidete Küster nickte zögernd.
„Ich nehme Sahne und zwei Teelöffel Zucker. Echte Sahne. Falls Sie die haben. Und wenn möglich keinen Würfelzucker.“
„Wie wäre es mit etwas zu essen? Wir haben Sie über die Mittagszeit hier behalten, und es ist fast Zeit fürs Dinner. Nick, vielleicht könntest du uns allen etwas bei Wanda bestellen.“
Nick sah sie vom anderen Ende des Raumes finster an, doch Ray Howard richtete sich erfreut auf.
„Ich liebe Wandas Geflügelsteaks.“
„Prima. Nick, würdest du Mr. Howard bitte Geflügelsteaks bestellen?“
„Mit Kartoffelbrei und brauner Sauce, nicht mit weißer. Und ich möchte die cremige italienische Sauce zum Salat.“
„Sonst noch was?“ Nick machte sich nicht die Mühe, seine Ungeduld zu verbergen.
Howard sank wieder auf dem Stuhl zusammen. „Nein, sonst nichts.“
„Und für Sie, Agentin O‘Dell?“ fragte er sarkastisch.
„Ein Sandwich mit Käse und Schinken. Ich glaube, du weißt, wie ich es mag.“ Sie lächelte ihn an und sah erfreut, wie sich sein unrasiertes Gesicht entspannte.
„Ja, ich weiß.“ Offensichtlich verscheuchte die gemeinsame Erinnerung Frustration und Sarkasmus. „Ich bin gleich zurück.“
Sie
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