Maggie O´Dell 01 - Das Boese
Sheriff, der ihr vor einigen Tagen begegnet war. Und doch schwangen da weder Selbstmitleid noch Reue mit. Maggie spürte, dass es ihn lediglich erleichtert hatte, es einmal auszusprechen.
„Du hast getan, was du konntest, Nick. Glaube mir, wenn du etwas anders hättest machen sollen, hätte ich es dir bestimmt gesagt. Falls du es noch nicht bemerkt hast, ich kenne in dieser Hinsicht wenig Scheu.“
Wieder ein Lächeln. Er lehnte sich gegen die Wand und streckte die langen Beine aus. Einen Moment glaubte sie, seine Meditation sei vorüber.
„Maggie, ich ... ich stelle mir immer vor, ich finde Timmy und sehe ihn da im Gras liegen mit diesem leeren Blick. Ich habe mich nie so ...“ Seine ruhige, kräftige Stimme schwankte, und er musste gegen seine Rührung ankämpfen. „Ich habe mich nie so verdammt hilflos gefühlt.“ Er zog die Knie wieder an.
Sie hob automatisch die Hand, verharrte dann in Höhe seines Nackens. Sie wollte ihn tröstend streicheln, unterließ es jedoch, rückte von ihm ab und lehnte sich an die Wand, um ihn nicht doch noch zu berühren.
Sie betrachtete ihn im Mondlicht, das jetzt von der Ecke des Fensters hereinfiel und sein Profil beschien. Was hatte Nick Morrelli nur an sich, dass sie sich wünschte, wieder ein seelisch intakter, sorgloser Mensch zu sein, und ihr bewusst wurde, dass sie es längst nicht mehr war?
„Weißt du, mein Leben lang habe ich getan, was Dad mir sagte ... oder besser mir vorschlug.“ Er legte das Kinn auf die Knie. „Nicht, um ihm zu gefallen, sondern weil es einfach war. Seine Ansprüche an mich waren immer geringer als meine eigenen. Ein Sheriff von Platte City schrieb ein paar Strafzettel, fand entlaufene Hunde wieder und schlichtete dann und wann eine Wirtshausprügelei. Vielleicht wurde er auch mal zu einem Verkehrsunfall gerufen. Aber Mord? Auf Mord war ich nicht vorbereitet.“
„Ich weiß nicht, ob man sich auf die Ermordung eines Kindes vorbereiten kann, gleichgültig, wie viele Leichen man schon gesehen hat.“
„Timmy darf nicht wie Danny und Matthew enden. Er darf einfach nicht ... und doch kann ich es wohl nicht verhindern.“ Seine Stimme schwankte wieder. Als sie ihn ansah, drehte er das Gesicht zur Seite. „Ich kann verdammt noch mal nichts tun!“
Sie hörte seiner Stimme die Tränen an, obwohl er sich bemühte, sie hinter Zorn zu verstecken. Zögernd streckte sie eine Hand aus und berührte ihn an der Schulter. Sie erwartete, dass er zurückzucken würde, doch er blieb ruhig sitzen. Sie strich ihm über Schulter und Rücken, fürchtete, die Berührung könne zu intim werden, und zog die Hand fort. Aber Nick hielt sie fest und legte sie sich an den geschwollenen Kiefer.
„Ich bin froh, dass du da bist.“ Er sah ihr in die Augen. „Maggie ... ich glaube, ich ...“
Sie riss die Hand zurück, erschrocken durch das begonnene Geständnis. Er flirtete nicht. Sie sah, wie er überlegte und mit Gefühlen rang, von denen sie nichts hören wollte.
„Was immer geschieht, es ist nicht deine Schuld, Nick.“ Sie lenkte das Thema in eine andere Richtung. „Du tust alles, was möglich ist. An einem gewissen Punkt musst du dich selbst vom Haken lösen.“
Er sah sie lange schweigend an „Und deine Albträume, Maggie? Hast du dich denn vom Haken gelöst? Worum geht es, Maggie? Um Stucky?“
74. KAPITEL
„Woher weißt du von Stucky?“ Maggie richtete sich auf und versuchte die Angst abzublocken, die sie bei der bloßen Erwähnung des Namens befiel.
„In der Nacht in meinem Haus hast du mehrmals seinen Namen gerufen. Ich dachte, du würdest mir von ihm erzählen. Als du nichts gesagt hast, dachte ich, es ginge mich wohl nichts an. Vielleicht geht es mich ja wirklich nichts an.“
„Über den Fall gibt es einen offiziellen Bericht.“
„Einen Bericht?“
„Albert Stucky ist ein Serienkiller, den ich vor etwas über einem Monat fangen half. Wir gaben ihm den Spitznamen „der Sammler“ . Er entführte zwei, drei, manchmal vier Frauen gleichzeitig und hielt sie in irgendeinem verlassenen Gebäude gefangen. Wenn er ihrer überdrüssig wurde, brachte er sie um, zerstückelte sie, schlug ihnen die Schädel ein und biss Stücke aus ihnen heraus.“
„Großer Gott, ich dachte, unser Täter sei schon wahnsinnig.“
„Stucky ist vermutlich einzigartig. Dank meines Profils konnten wir ihn identifizieren. Zwei Jahre haben wir ihn verfolgt. Sobald wir ihm zu nahe kamen, verschwand er in einen anderen Teil des Landes. Irgendwann entdeckte
Weitere Kostenlose Bücher