Maggie O´Dell 01 - Das Boese
das kleine Zimmer zu denken. Er musste an seine Mom denken und ihr helfen, wieder gesund zu werden. Es machte ihm Angst, sie in dem großen weißen Krankenhausbett an all die gurgelnden, zischenden und klickenden Maschinen angeschlossen zu sehen. Sie schien okay zu sein und sich sogar über Dad zu freuen, nachdem sie ihn natürlich erst mal angeschrien hatte. Dad hatte immer wieder gesagt, es täte ihm Leid. Als er aus dem Zimmer gegangen war, hatte Dad Moms Hand gehalten, und sie hatte nichts dagegen gehabt. Das musste ein gutes Zeichen sein, oder?
Timmy setzte sich auf den Plastikstuhl im Wartezimmer. Er wickelte den Riegel aus und teilte die beiden Stücke. Großvater Morrelli holte ihm ein Sandwich aus dem Supermarkt, nachdem sie die Koteletts in der Cafeteria inspiziert hatten.
Er warf sich ein ganzes „Peanut Buttercup“ in den Mund und ließ es schmelzen, ehe er zu kauen begann.
„Ich dachte, du wärst ein Snickers-Typ.“
Erschrocken drehte Timmy sich im Stuhl um. Er hatte nicht mal Schritte gehört.
„Hallo, Pater Keller“ , grüßte er mit vollem Mund.
„Wie geht‘s dir, Timmy?“ Er tätschelte ihm die Schulter, und seine Hand verweilte auf seinem Rücken.
„Ich bin okay.“ Er schluckte den Rest der Süßigkeit und hatte den Mund leer. „Meine Mom ist heute Morgen operiert worden.“
„Das habe ich gehört.“ Pater Keller legte einen Matchbeutel auf den Nachbarsitz und ging vor Timmy in die Hocke.
Timmy mochte das an Pater Keller, er gab einem immer das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Er war echt interessiert. Timmy erkannte das an diesen sanften blauen Augen, die manchmal so traurig wirkten. Pater Keller fühlte echt mit. Diese Augen ... Timmy sah wieder hin, und plötzlich hatte er ein mulmiges Gefühl im Bauch. Pater Kellers Augen sahen heute irgendwie anders aus. Er konnte nicht sagen, wieso. Timmy rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum.
Pater Keller fragte besorgt: „Alles okay, Timmy?“
„Ja, alles prima. Hab wohl zu viel Süßes gegessen. Ich habe nicht gefrühstückt. Wollen Sie irgendwohin?“ Er deutete mit dem Daumen auf den Matchbeutel.
„Ich bringe Pater Francis zu seiner letzten Ruhestätte. Ich bin gekommen, um zu sehen, ob er transportbereit ist.“
„Er ist hier?“ Timmy wollte gar nicht flüstern, aber er tat es automatisch.
„Unten, in der Leichenhalle. Möchtest du mich begleiten?“
„Ich weiß nicht recht. Ich warte auf meinen Grandpa.“
„Es dauert nur ein paar Minuten. Es wird dir bestimmt gefallen. Die Halle sieht aus wie bei Akte X.“
„Wirklich?“ Timmy erinnerte sich, wie er Spezialagentin Scully bei den Autopsien zugesehen hatte. Er fragte sich, ob Tote wirklich alle grau und steif waren. „Sind Sie sicher, dass es okay ist, wenn ich mitkomme? Werden die Leute aus dem Krankenhaus nicht wütend?“
„Nein, da unten ist nie einer.“
Pater Keller erhob sich und nahm den Matchbeutel. Er wartete, während Timmy den Rest des Riegels in den Mund schob und versehentlich das Einwickelpapier fallen ließ. Als Timmy sich bückte, um es aufzuheben, bemerkte er Pater Kellers Nikes, sauber und weiß wie immer. Aber heute ... heute war ein Schuhband geknotet! Das mulmige Gefühl in seinem Bauch wurde stärker.
Er richtete sich langsam auf, leicht benommen im Kopf. Zu viel süßes Zeug, dachte er und blickte in Pater Kellers lächelndes Gesicht. Der Pater wartete und streckte ihm eine Hand hin. Ein letzter Blick auf den Schuh.
Warum hatte Pater Keller einen Knoten im Schuhband?
99. KAPITEL
„Wie hast du herausgefunden, dass ich im Krankenhaus bin?“ fragte Maggie Greg, sobald sie allein waren. Sie breitete die Anzüge aus, die sie vor Tagen sorgfältig eingepackt hatte, erfreut, dass sie zwei Reisen quer durchs Land unbeschadet überstanden hatten.
„Ich habe es erst heute Morgen im Sheriff Department erfahren. Irgend so ‘n Flittchen im Lederrock hat es mir gesagt.“
„Sie ist kein Flittchen.“ Maggie konnte kaum glauben, dass sie Lucy Burton verteidigte.
„Das unterstreicht nur mein Argument, Maggie.“
„Welches Argument?“
„Dass dieser Job viel zu gefährlich ist.“
Sie sah den Kurzreisekoffer durch, den er ihr gebracht hatte, beherrschte ihren aufkeimenden Ärger und dachte lieber daran, wie gut es war, wieder eigene Sachen zu haben. So lächerlich es klang, aber die eigene Unterwäsche anzufassen, vermittelte ihr ein Gefühl von Sicherheit und Normalität.
„Warum gibst du es nicht einfach zu?“ beharrte
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