Maggie O´Dell 01 - Das Boese
waren. In ihren kühnsten Träumen hätte sie sich nicht ausgemalt, einmal in einer solchen Position zu sein.
Trotz Erschöpfung war ihr Geist dank Adrenalinausstoß beflügelt gewesen. Die Finger waren nur so über die Computertasten geflogen. Ihre Handflächen waren noch feucht. Sie wischte sie an der Jeans ab, schaltete den Laptop aus, klappte ihn zu und zog den Stecker aus der Telefonbuchse. Moderne Technologie - sie hatte keine Ahnung, wie sie funktionierte, war aber dankbar, dass es sie gab. Mit ihrer Hilfe hatte sie ihren fünften Leitartikel in Folge schreiben können, während ihr Sohn friedlich ein paar Türen weiter schlief. Sie fragte sich flüchtig, wie hoch der Leitartikelrekord beim Omaha Journal stand.
Sie sah auf die Uhr. Die Zeitung würde mit einer Stunde Verspätung an den Kiosken sein, aber Corby war zufrieden. Sie trank den letzten Schluck Kaffee und ließ einen Klumpen Zucker und Sahne am Boden zurück. Kaum zu fassen, dass sie das alles ohne Zigarette geschafft hatte.
Sie nahm den Laptop vom Tisch und stieß einen Stapel Briefe zu Boden. Als sie sie aufnahm, war ihre Zufriedenheit dahin. Der Stapel enthielt Mahnungen für unbezahlte Rechnungen. Ein Brief vom „State Department of Nebraska“ war noch ungeöffnet. Er enthielt ein Formular in dreifacher Ausführung mit altmodischem blauen Durchschlagpapier zwischen den einzelnen Kopien. Wie sollte sie Vertrauen in einen Staat haben, der noch Blaupapier benutzte? So ein Staat wollte ihren Ex-Mann aufstöbern und dazu bringen, Unterhalt für sein Kind zu zahlen? Schlimm genug, dass Bruce fort war. Aber wie konnte er seinen Sohn so im Stich lassen? Sie bedauerte, dass Timmy seinen Vater nicht sehen konnte. Aber er hielt keinerlei Kontakt. Und alles nur, weil er ihr keinen Unterhalt zahlen wollte? Sie stopfte den Brief Stapel hinter die Schreibtischlampe, da war er fürs Erste verborgen.
Ihr journalistischer Erfolg brachte ihr nur eine geringe Gehaltserhöhung. Bis sich das positiv auf dem Konto bemerkbar machte, vergingen Wochen und Monate.
Vielleicht sollte sie das Haus verkaufen? Sie sank aufs Sofa und sah sich im Zimmer um, das sie in vielen Stunden selbst tapeziert hatte. Sie hatte den muffigen Teppich herausgerissen und den Holzboden poliert, bis sie sich darin spiegeln konnte. Draußen vor den Fenstern war ein hübscher Garten. Sie hatte alte sparrige Büsche durch rosa Rosen ersetzt und einen hübschen Backsteinweg gelegt. Der Garten war ein Refugium. Wie konnte sie auch nur daran denken, ihn aufzugeben? Abgesehen von Timmy war dieses Haus alles, was sie hatte.
Nick verstand nicht, dass es bei ihrem journalistischen Erfolg nicht darum ging, ihn zu verletzen, sondern sich selbst zu retten. Zum ersten Mal schaffte sie etwas ganz allein - nicht als Tony Morrellis Tochter oder als Bruce Hamiltons Frau oder Timmys Mutter, sondern als Christine Hamilton. Ein wunderbares Gefühl.
Sie bereute, viele Jahre für Familie und Freunde eine Show abgezogen zu haben. Sie hatte die Rolle der guten Ehefrau und Mutter gespielt, um Bruce glücklich zu machen. Von seiner Affäre hatte sie über ein Jahr gewusst. Kreditkartenrechnungen von Hotels, die sie nie betreten hatte, und für Blumen, die sie nie bekam, waren kaum zu übersehen gewesen. Doch anstatt gleich Konsequenzen zu ziehen, hatte sie sich noch mehr um ihn bemüht, von dem Wahn getrieben, dass es ihre Schuld war, wenn ihr Mann Affären hatte.
Wie viel Geld sie für teure Reizwäsche ausgegeben hatte, um ihn wieder zu locken, war ihr heute peinlich. Die körperliche Liebe, die nie berauschend gewesen war, war zu einem schnellen, einseitigen Akt verkommen. Er war in sie eingedrungen, als wolle er sie für seine Sünden strafen, hatte sich dann auf die Seite gerollt und geschlafen. Zu viele Nächte hatte sie sich aus dem Bett geschlichen, die manchmal zerrissenen und beschmutzten Dessous ausgezogen und in der Dusche geweint. Doch auch das pulsierende heiße Wasser hatte sie nicht mehr geheilt. Dass ihrer Beziehung die Liebe fehlte, auch daran hatte sie sich natürlich die Schuld gegeben.
Christine rollte sich fröstelnd auf dem Sofa zusammen und kroch unter eine Decke. Sie war nicht mehr die schwache, unterwürfige Ehefrau, sondern eine erfolgreiche Journalistin. Ab sofort stand für sie ihr Erfolg im Vordergrund - endlich nach so vielen Pleiten. Sie schloss die Augen.
39. KAPITEL
Mittwoch, 29. Oktober
Maggie hatte Nick angeboten, mit ihm zu Michelle Tanner zu fahren, doch er hatte
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