Maggie O´Dell 01 - Das Boese
Handy probiert? Verdammt, daran hatte sie nicht gedacht! Sie musste es als verloren melden und Ersatz beantragen.
Drei Anrufe waren von Darcy McManus von Kanal Fünf gewesen. Das hatte den Mann vom Empfang offenbar beeindruckt, denn er hatte sie mit genauer Uhrzeit notiert. Sie hatte detailliert Anweisung gegeben, wann und wo sie angerufen werden wolle, und deshalb die Telefonnummer ihres Büros, ihres Handys und ihre Privatnummer hinterlassen, sowie eine E-Mail-Adresse. Zwei Anrufe gestern Abend stammten von Dr. Avery, dem Therapeuten ihrer Mutter, der um Rückruf bat.
Sie vermutete, dass der verschlossene Umschlag von der beharrlichen Miss McManus stammte. Hinter dem Duschvorhang quoll Wasserdampf hervor. Gewöhnlich war das Wasser in Hotels nur lauwarm. Sie stand auf, um die Temperatur einzustellen, hielt jedoch inne, als sie ihr Spiegelbild sah. Es verschwand rasch hinter einem Belag aus Kondenstropfen. Sie wischte ihn mit der flachen Hand fort und betrachtete ihre Schulter. Die dreieckigen roten Verletzungen traten auf der blassen Haut besonders lebhaft hervor. Sie löste Nicks Verband. Darunter kam eine große dreieckige Risswunde zum Vorschein, die noch blutete. Das würde eine Narbe geben. Na toll, passend zu der anderen.
Sie drehte sich und hob den unteren Teil ihres BHs an. Dort, unter der linken Brust begann die gerade erst verheilte andere Narbe. Sie verlief quer nach unten über den Bauch, ein Geschenk von Albert Stucky.
„Du hast Glück, dass ich dich nicht ganz aufschlitze“ , hörte sie ihn noch sagen, als die Messerschneide durch ihre Haut geglitten war, nur so tief, dass eine Narbe blieb. Sie hatte nichts gespürt, so betäubt und unter Schock war sie gewesen. Wahrscheinlich hatte sie schon mit dem Leben abgeschlossen gehabt.
„Du wirst noch leben“ , hatte er versprochen, „wenn ich anfange, deine Innereien zu essen.“
Aber da hatte sie schon nichts mehr schockieren können. Sie hatte soeben zugesehen, wie er zwei Frauen bestialisch umbrachte und zerstückelte. Nein, er hätte nichts mehr tun können, um sie aus der Fassung zu bringen. Deshalb hatte er etwas hinterlassen, das sie dauerhaft an ihn erinnerte.
Ihr missfiel die Narbensammlung auf ihrem Körper, es reichte völlig, dass ihr Hirn bereits mit grausigen Bildern verseucht war.
Sie rieb sich das Gesicht, fuhr sich durch die Haare und betrachtete sich im Spiegel. Sie wirkte erschreckend schmal und zerbrechlich. Dabei hatte sich im Grunde nichts verändert. Sie war immer noch dieselbe entschlossene, mutige Frau, die vor acht Jahren in die Akademie eingetreten war. Vielleicht war sie ein wenig kampfmüde geworden, aber aus ihrem Blick sprach immer noch dieselbe Entschlossenheit wie damals. Daran hatte auch der durchlebte Horror nichts geändert. Albert Stucky hatte ihr zeitweilig einen Dämpfer verpasst, vergleichbar einer Straßenblockade, die man wegräumen oder umgehen musste, die einen aber nicht aufhielt.
Sie hakte den BH auf und ließ ihn zu Boden fallen. Als sie ihren Slip ausziehen wollte, erinnerte sie sich an den verschlossenen Umschlag auf den Notizzetteln am Waschbeckenrand. Sie riss ihn auf und zog eine Karteikarte heraus. Ein Blick auf die große Blockschrift, und ihr Puls beschleunigte sich. Schwankend wollte sie sich am Beckenrand festhalten, sank jedoch zu Boden. Nein, nicht schon wieder! Sie schlang die Arme um die angezogenen Knie und versuchte die beginnende Panikreaktion zu unterdrücken.
Dann las sie die Karte noch einmal.
BRAUCHT DEINE MUTTER AUCH BALD DIE LETZTE ÖLUNG?
40. KAPITEL
Es war noch früh und kaum Verkehr, deshalb ließ Nick den Jeep durch die Schneewehen schlittern und gleiten, wie er wollte. Die Straßenlaternen brannten noch, da Massen dicker Schneewolken die Sonne verbargen. Die Windschutzscheibe überfror bereits wieder. Er ließ heiße Luft dagegen blasen, obwohl er schon schwitzte. Er schaltete das Radio ein und drückte den Sendersuchlauf, bis er auf KRAP stehen blieb: „Nachrichten jeden Tag, den ganzen Tag“ . Ihm graute davor, Michelle Tanner die Todesnachricht zu überbringen. Er sagte sich, dass er die Bilder der toten Jungen Matthew und Danny resolut verdrängen musste, sonst konnte er seine Arbeit nicht tun. Er dachte an Maggie. Noch nie in seinem an Liebeserfahrungen reichen Leben hatte er sich so angenehm unbehaglich gefühlt wie letzte Nacht. Maggie war dabei ihn umzukrempeln. Unglaublich, sie hatte sich ohne jede erotische Absicht an ihn gekuschelt, und das hatte ihn
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