Maggie O´Dell 01 - Das Boese
Pastorat fühlten sich seine Schritte sogar leichter an. Der Schmerz in der Brust wandelte sich in schiere Verärgerung.
Auf dem Weg zum Büro bemerkte er, dass jemand die Tür zum Weinkeller offen gelassen hatte. Er blieb an der Tür stehen, spähte die dunklen Stufen hinab und roch die dumpfe Feuchtigkeit. Ein kühler Luftzug ließ ihn frösteln. War dort ein Schatten? Kauerte da jemand in der Ecke?
Er betrat die erste Stufe und hielt sich mit zitternden Händen am Geländer fest. Bildete er sich das ein, oder hockte da jemand zwischen gestapelten Weinkisten und Betonwand?
Er beugte sich vor trotz schwacher Knie. Die Gestalt hinter ihm sah er nicht. Er spürte nur den heftigen Stoß, der ihn kopfüber die Stufen hinabsandte. Sein gebrechlicher Körper krachte gegen die Wand, dann rollte er hinab. Er war noch bei Bewusstsein, als er die Stufen eine nach der anderen knarren hörte. Schmerzgeplagt nahm er entsetzt wahr, wie jemand langsam die Treppe herunterkam. Er öffnete den Mund, um zu schreien, und brachte nur ein Stöhnen heraus. Er konnte sich nicht bewegen und nicht weglaufen. Sein rechtes Bein brannte wie Feuer und war in einem unnatürlichen Winkel unter ihm abgeknickt. Die letzte Stufe knarrte gleich über ihm. Er hob den Kopf und sah noch, wie weiße Leinwand auf sein Gesicht niederkam. Dann wurde es dunkel.
45. KAPITEL
Christine ließ sich Wandas hausgemachte Hühnernudelsuppe und dazu knusprige Butterbrötchen schmecken. Corby hatte ihr den Morgen freigegeben, aber sie hatte ihr Notizbuch mitgebracht und sich einige Ideen für den morgigen Artikel aufgeschrieben. Es war noch früh, und die Mittagsgäste trudelten erst langsam ein. Deshalb hatte sie in der hinteren Ecke des Lokals eine Nische für sich. Sie saß am Fenster und beobachtete die wenigen Passanten durch den Schnee stapfen.
Timmy hatte angerufen und gefragt, ob er mit seinen Freunden am Mittag mit Pater Keller im Pastorat essen dürfe. Der Priester hatte sich beim Rodeln an Cuttys Hügel zu ihnen gesellt. Und als Trostpflaster für das unvermeidliche Absagen des Campingausfluges hatte er die Jungs zu gerösteten Hot Dogs und Marschmallows am riesigen Kamin des Pastorats eingeladen.
„Großartige Artikelserie, Christine“ , lobte Angie Clark, während sie ihr frischen Kaffee nachschenkte.
Überrascht schluckte Christine einen Bissen warmes Brot hinunter. „Danke.“ Sie lächelte und wischte sich mit der Serviette den Mund. „Die Brötchen deiner Mutter sind die Besten weit und breit.“
„Ich sage ihr immer wieder, wir sollten ihre Backwaren verpackt außer Haus verkaufen. Sie fürchtet allerdings, dass die Leute dann nicht mehr zum Essen ins Lokal kommen.“
Angie war der kreative Kopf im Geschäft der Mutter. Da sie das kleine Lokal nicht ausbauen konnten, hatte Angie vorgeschlagen, sie sollten ihren Lieferservice ausdehnen. Nach nur sechs Monaten mussten sie einen zweiten Koch einstellen und unterhielten zwei Vans und zwei Fahrer, ohne Einbußen für das üblicherweise hektische Frühstücks-, Mittags- und Abendgeschäft im Lokal.
Manchmal fragte Christine sich, warum Angie in Platte City geblieben war. Sie hatte offenbar einen klugen Kopf, Geschäftssinn und einen Aufsehen erregenden Körper. Aber nach nur zwei Jahren an der Uni und nach einer angeblichen Affäre mit einem verheirateten Senator war sie zu ihrer verwitweten Mutter zurückgekehrt.
„Wie geht es Nick?“ erkundigte sie sich, während sie vorgab, das Silberbesteck am Nachbartisch zu arrangieren.
„Im Moment ist er vermutlich wieder sauer auf mich. Er war nicht begeistert von meinen Artikeln.“ Das war zweifellos nicht die Antwort, die Angie hören wollte, doch sie hielt sich schon lange aus dem Liebesleben ihres Bruders heraus.
„Wenn du ihn siehst, grüß ihn von mir.“
Arme Angie. Nick hatte sich vermutlich seit Beginn der Mordserie nicht mehr bei ihr gemeldet. Obwohl er es leugnete, galten seine Gedanken eindeutig der schönen, unerreichbaren Maggie O‘Dell. Vielleicht wurde diesmal ihm das Herz gebrochen, und er bekam zu spüren, was er anderen antat.
Sie beobachtete, wie Angie zwei stämmige Bauarbeiter begrüßte, die hereinkamen und ihre Jacken, Hüte und Overalls ablegten. Warum war Nick ein solcher Frauenschwarm? Sie hatte das nie verstanden und staunend beobachtet, wie er ohne Erklärung und ohne Zögern von einer zur anderen wanderte. Er war ein gut aussehender, charmanter Filou. Sie war sicher, dass Angie ihn mit offenen Armen aufnehmen
Weitere Kostenlose Bücher