Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
Verbindung. Denkst du denn, es macht mir Spaß anzunehmen, dass Stucky Rachel und Tess erwischt hat? Ich ginge wahrhaftig lieber davon aus, sie lägen an einem verschwiegenen Strand in der Sonne und schlürften Piña coladas mit ihren Lovern.“
Es ärgerte sie, wie schrill ihre Stimme wurde. Sie wandte sich wieder ihrem Aktenstapel zu und versuchte ein System in Tullys Ordnung - besser gesagt - seine Unordnung zu bringen. Sie spürte, wie Gwen sie musterte. Vielleicht hatte sie ja Recht. Vielleichtminderte Paranoia ihre Vernunft, und sie bauschte die ganze Angelegenheit über Gebühr auf. Geriet sie wirklich psychisch aus den Fugen? Leider sah es ganz danach aus.
„Falls das stimmt, heißt das im Klartext, Stucky beobachtet dich und folgt dir.“
„Ja“, bestätigte Maggie so gelassen wie möglich.
„Wenn er sich Frauen aussucht, mit denen er dich sieht, warum hat er mich dann noch nicht aufs Korn genommen?“
Maggie sah zu ihrer Freundin auf, und der Anflug von Angst in deren sonst ruhigen, selbstsicheren Miene erschreckte sie. „Er sucht sich nur Frauen aus, mit denen ich flüchtigen Kontakt hatte. Nicht Freundinnen oder Bekannte. Das macht es für uns so schwer einzuschätzen, wen er sich als Nächstes greift. Er möchte, dass ich mich als Komplizin fühle. Ich glaube nicht, dass er mich vernichten will. Und dir etwas anzutun würde mich vernichten.“
Sie setzte ihr Aktenstudium fort, wollte das Thema beenden und die mögliche Gefahr für Gwen verdrängen. Doch sie hatte selbst schon darüber nachgedacht, dass Stucky sich demnächst an Menschen vergreifen könnte, die ihr nahe standen. Was sollte ihn daran hindern, wenn er seinen Verbrechen noch eins draufsetzen wollte?
„Hast du mit Agent Tully darüber gesprochen?“
„Du bist meine Freundin, und du hältst mich schon für verrückt. Warum in aller Welt sollte ich meine Befürchtungen mit Tully teilen?“
„Weil er dein Partner ist, und weil ihr beide diesen Mist zusammen abarbeiten müsst, gleichgültig wie verrückt die Details zu sein scheinen.“
Maggie fand einen weiteren Satz Dokumente und begann die Seiten durchzublättern. Wo war nur diese vermutete Verbindung zwischen Rachel und Stucky?
„Maggie, hast du mich gehört?“
Sie blickte auf und bemerkte, dass Gwens sonst glatte Stirn tief gefurcht war und die warmen grünen Augen sie sorgenvoll betrachteten.
„Maggie, versprich mir, dass du keine Alleingänge startest!“
„Ich mache keine Alleingänge mehr.“ Sie zog einen braunen Umschlag hervor und holte den Inhalt heraus.
„Maggie, das ist mir ernst.“
Sie unterbrach ihre Tätigkeit und sah Gwen an. Sogar Harvey sah sie mit traurigen Augen aufmerksam an, obwohl er die letzten Tage und Nächte hin und her gelaufen war und in der Hoffnung, sein Frauchen hole ihn ab, Türen und Fenster kontrolliert hatte, als könnte er es keine Minute länger bei ihr aushalten.
„Mach dir bitte keine Sorgen, Gwen. Ich verspreche, dass ich nichts Dummes anstelle.“ Sie faltete einige Kopien auf und fand sofort, wonach sie suchte. Es war der Bericht der Flughafenbehörde und eine Notiz über die polizeiliche Beschlagnahme eines weißen Ford Van. „Hier ist es. Das hat mich die ganze Zeit nicht losgelassen.“
„Was denn?“
Maggie stand auf und begann hin und her zu gehen.
„Susan Lyndell erzählte mir, dass der Mann, mit dem Rachel Endicott vielleicht durchgebrannt ist, ein Mann vom Telefondienst war.“
„Wo ist der Beweis? Ihre Telefonrechnung?“ fragte Gwen ungeduldig.
„Hier ist eine Notiz über die Beschlagnahme. Als die Polizei Jessica Beckwiths Auto am Flughafen entdeckte, parkte ein Van daneben. Er war vor zwei Wochen gestohlen worden.“
„Tut mir Leid, Maggie, aber da komme ich nicht mit. Also hat Stucky einen Wagen geklaut und ihn stehen lassen, als er ihn nichtmehr brauchte. Was hat das mit deiner vermissten Nachbarin zu tun?“
„Der beschlagnahmte Wagen gehörte der Northeastern Bell Telefongesellschaft.“ Sie wartete auf Gwens Reaktion, und als die zurückhaltend ausfiel, fuhr sie fort: „Okay, es ist nur ein Indiz, aber du musst zugeben, dass es ein ziemlich merkwürdiger Zufall ist, und ...“
„Ich weiß, ich weiß.“ Gwen brachte sie mit erhobener Hand zum Schweigen. „Du glaubst nicht an Zufälle.“
46. KAPITEL
Trotz ihrer umfangreichen Erinnerungen an Schreckensnächte der Kindheit konnte Tess sich nicht entsinnen, je eine so lange, dunkle und grausame Nacht erlebt zu haben wie diese. Sie saß
Weitere Kostenlose Bücher