Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
Manx!
„Agentin O’Dell, stimmt das?“
„Ich bin erst heute hier eingezogen. Als ich Polizeifahrzeugeam Ende der Straße bemerkte, dachte ich, ich könnte vielleicht helfen.“
„Also sind Sie unaufgefordert in eine Tatortermittlung geplatzt.“
„Ich bin nicht hereingeplatzt. Ich habe meine Hilfe angeboten.“
„So hat Detective Manx es nicht beschrieben.“
„Nein, vermutlich nicht.“
„Ich möchte, dass Sie sich da raushalten, Agentin O’Dell.“
„Aber ich konnte ...“
„Raushalten heißt, dass Sie Ihren Ausweis nicht benutzen, um Tatorte zu betreten. Auch nicht, wenn die in Ihrer Nachbarschaft liegen. Haben Sie mich verstanden?“
Sie fuhr sich mit einer Hand durch das zerzauste Haar. Was fiel diesem Manx ein? Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte er nicht mal den Hund entdeckt.
„Agentin O’Dell, ist das klar?“
„Ja. Ja, das ist völlig klar“, erwiderte sie und erwartete einen zusätzlichen Tadel wegen ihres sarkastischen Tons.
„Ich wünsche Ihnen eine sichere Reise“, sagte er auf seine gewohnt abrupte Art und legte auf.
Sie warf das Telefon auf den Schreibtisch und begann die Akten durchzublättern. Da sie Verspannungen in Nacken, Rücken und Schultern spürte, stand sie auf und streckte sich. Sie war verärgert. Verdammter Manx! Verdammter Cunningham! Wie lange glaubte er sie dem Außendienst fern halten zu können? Wie lange wollte er sie dafür strafen, dass sie angreifbar war? Und wieso glaubte er, Stucky ohne ihre Hilfe fangen zu können?
Maggie stellte zum dritten Mal die Alarmanlage ein und prüfte die Kontrolllampe, obwohl ihr die mechanische Stimme jedes Mal mitteilte: „Die Alarmanlage wurde aktiviert.“ Sie verwünschte dasBrummen im Kopf, schenkte sich noch einen Scotch ein und redete sich ein, einer mehr würde die Anspannung sicher lösen.
Die verstreuten Akten ließ sie auf dem Boden des Wohnraumzimmers liegen. Es schien angemessen, dass ihr neues Heim mit einem Stapel Blut und Entsetzen eingeweiht wurde. Sie ging, den Revolver in der Hand, in den Wintergarten, holte sich eine Decke und legte sie um die Schultern. Nachdem bis auf die Schreibtischlampe alle Lichter gelöscht waren, kuschelte sie sich in ihren Liegesessel gegenüber der Fensterfront.
Sie wiegte sich leicht, nippte an ihrem Scotch und beobachtete, wie der Mond immer wieder hinter Wolken verschwand und Schattenspiele in ihrem neuen Garten veranstaltete. Den Revolver hielt sie unter der Decke verborgen. Trotz ihres zunehmend verschwommenen Sehvermögens würde sie bereit sein. Cunningham würde kaum verhindern können, dass Stucky zu ihr kam, aber sie würde ihn aufhalten. Diesmal würde Stucky sich sehr wundern.
10. KAPITEL
Reston, Virginia, Samstagabend,
28. März
R.J. Tully blätterte eine weitere Zehndollarnote hin und schob sie unter dem Kassenfenster durch. Seit wann kostete eine Kinokarte nicht mehr 8,50 Dollar? Er versuchte sich zu erinnern, wann er das letzte Mal an einem Samstagabend ins Kino gegangen war. Wann war er überhaupt das letzte Mal im Kino gewesen? Sicher hatte er Caroline während ihrer dreizehnjährigen Ehe mal ins Kino ausgeführt. Ehe sie ihren Mitarbeitern den Vorzug vor ihm gegeben hatte.
Er sah sich um und entdeckte Emma, die, mindestens drei Kinobesucher entfernt, hinter ihm her trödelte. Manchmal fragte er sich, wer dieses große, hübsche Wesen war, diese Vierzehnjährige mit dem seidigen blonden Haar und dem Körper, der allmählich Rundungen annahm, die sie keck mit engen Jeans und knappen Pullis betonte. Sie sah ihrer Mutter jeden Tag ähnlicher. Oh Gott, wie er die Zeit vermisste, als dasselbe Mädchen seine Hand gehalten und ihm in die Arme gesprungen war, um ihn überall hin zu begleiten. Das hatte sich völlig geändert, genau wie sein Verhältnis zu ihrer Mutter.
Er wartete beim Kartenentwerter auf sie und fragte sich, ob sie es aushielt, im Kino zwei Stunden neben ihm zu sitzen. Ihr Blick wanderte unruhig durch die volle Lobby. Er begriff enttäuscht, dass sie von ihren neuen Freunden nicht gesehen werden wollte, wie sie am Samstagabend mit ihrem Dad ins Kino ging. War er ihr wirklich derart peinlich? Er konnte sich nicht erinnern, bei seinen Eltern ähnlich empfunden zu haben. Kein Wunder, dass er so viel Zeit bei der Arbeit verbrachte. Serienkiller zu verstehen erschien ihm derzeit wesentlich einfacher als vierzehnjährige Mädchen.
„Wie wär’s mit Popcorn?“ bot er an.
„Popcorn hat tonnenweise Fett.“
„Ich glaube kaum, dass du
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