Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
Neugier, welcher Mann sich einbildete, Tess McGowan zu besitzen, warum auch immer, merkte Will sich das Autokennzeichen und fuhr Richtung Boston.
19. KAPITEL
Im Tagungsraum wurde es still, sobald Maggie durch die Tür kam. Ohne Zögern ging sie nach vorn, enttäuscht, dass der Raum wie üblich für einen Vortrag bestuhlt war. Die Stühle standen nebeneinander und waren nach vorn zum Vortragenden ausgerichtet und nicht um lange schmale Tische gruppiert, wie sie es gewünscht hatte. Sie bevorzugte es, wenn ihre Zuhörer wie in einer Geschäftsbesprechung saßen, damit sie ihnen Tatortfotos vorlegen konnte. So war es den meisten angenehmer zu diskutieren, anstatt einfach zuzuhören. Auf den einzigen Tisch im Raum hatte man jedoch Kaffee, Saft, alkoholfreie Getränke und eine Auswahl Gebäck gestellt.
Sie spürte die Blicke ihrer Zuhörer, als sie sich einen Sessel für die Aktentasche heranzog. Sie durchsuchte die Tasche und tat, alsbenötige sie unbedingt etwas Bestimmtes, ehe sie anfangen konnte. In Wahrheit wartete sie nur, dass sich ihr Magen beruhigte. Sie hatte vor Stunden gefrühstückt, und vor einem Vortrag wurde ihr schon lange nicht mehr übel. Doch der Schlafmangel und einige zusätzliche Scotch gestern Nacht, nachdem Turner und Delaney gegangen waren, straften sie jetzt mit Schwindel und einem trockenen Mund. Das war entschieden kein guter Start in den Montag.
„Guten Morgen“, sagte sie schließlich und knöpfte ihr doppelreihiges Jackett auf. „Ich bin Spezialagentin Margaret O’Dell vom FBI. Ich bin Profilerin bei der Unterstützenden Ermittlungseinheit in Quantico, die einige von Ihnen sicher noch als Abteilung für wissenschaftliche Verhaltensstudien kennen. Dieser Workshop befasst sich ...“
„Warten Sie einen Moment, Ma’am“, meldete sich ein Mann in der zweiten Reihe und rückte sich unbehaglich auf dem Stuhl zurecht, der für seine beträchtliche Breite zu klein war. Er trug eine enge Hose, ein frisches, kurzärmeliges Buttondown-Hemd, das über seinem dicken Bauch spannte, und abgewetzte Schuhe, die trotz frischer Schuhcreme nicht neu aussehen wollten.
„Ja?“
„Bei allem Respekt, aber was ist mit dem Typen passiert, der diesen Workshop leiten sollte?“
„Wie bitte?“
„Das Programm.“ Er sah sich um, als suche er Zustimmung von seinen Kollegen. „Da stand, der Typ ist nicht nur FBI-Profiler, sondern auch Experte im Verfolgen von Serienkillern, ein Kriminalpsychologe mit neun oder zehn Jahren Berufserfahrung.“
„Stand im Programm, dass diese Person ein Mann ist?“
Er wirkte verblüfft. Jemand neben ihm reichte ihm eine Kopie des Programms.
„Tut mir Leid“, fuhr Maggie fort, „aber der Typ bin ich.“
Die meisten Männer starrten sie nur an. Eine Frau in der Menge verdrehte mitfühlend die Augen, als Maggie sie ansah. Maggie erkannte zwei Männer im hinteren Teil. Sie hatte die beiden Detectives aus Kansas City gestern Abend flüchtig in der Bar in Westport kennen gelernt. Beide lächelten sie an, als teilten sie ein Geheimnis.
„Vielleicht sollten die das im Programm erwähnen“, beharrte der Mann und versuchte, seinen Einwand zu rechtfertigen. „Sie werden nicht mal mit Namen genannt.“
„Macht das was?“
„Für mich schon. Ich bin hier, um kompetente Auskünfte zu bekommen, nicht um einer Schreibtischtäterin zu lauschen.“
Ihre abendliche Dosis Scotch musste sie abgestumpft haben. Anstatt sich zu ärgern, verstärkte sein Chauvinismus lediglich ihre Erschöpfung.
„Schauen Sie, Officer ...“
„Warten Sie eine Minute. Wieso glauben Sie, dass ich ein Officer bin. Vielleicht bin ich Detective.“ Er warf seinen Kollegen ein verschlagenes Lächeln zu, verriet sich damit und bestätigte Maggies ursprüngliche Einschätzung.
„Lassen Sie mich raten“, sagte sie, ging weiter in den Raum und stellte sich mit verschränkten Armen vor ihn hin. „Sie sind Straßenpolizist in einer Großstadt, aber nicht hier in Kansas City. Sie sind es gewöhnt, Uniform zu tragen und nicht Zivil, nicht mal saloppes Zivil. Ihre Frau hat Ihnen den Koffer gepackt und ausgewählt, was Sie jetzt anhaben. Aber Sie haben seit dem letzten Kleiderkauf Gewicht zugelegt. Die Schuhe sind eine Ausnahme. Sie haben darauf bestanden, Ihre ausgelatschten Schuhe zu tragen.“
Alle, einschließlich des Officers, rückten auf den Stühlen vor, um einen Blick auf seine Schuhe zu werfen. Dass sie die leichten, dauerhaften Eindellungen in seinen Haaren bemerkt hatte, dievom ständigen
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