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Maggie O´Dell 02 - Das Grauen

Maggie O´Dell 02 - Das Grauen

Titel: Maggie O´Dell 02 - Das Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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KAPITEL
    Tully versuchte sich die Erschöpfung aus den Augen zu reiben und griff dazu unter seine Brille. Als sei sie schuld, dass es nicht gelang, legte er sie auf einen der vielen Aktenstapel auf seinem Schreibtisch.
    Seit dem dreiundvierzigsten Geburtstag schienen seine Körperteile nach und nach den Dienst zu quittieren. Letztes Jahr hatte eine Operation am Knie ihn zwei Wochen außer Gefecht gesetzt. Und es munterte ihn nicht gerade auf, wenn seine vierzehnjährige Tochter ihm ständig vorhielt, wie altmodisch er sei. In Emmas Augen konnte er einfach nichts mehr richtig machen.
    Heute war sie wütend gewesen, weil sie wieder einen Abend nebenan bei Mrs. Lopez verbringen musste. Vielleicht fuhr er nicht nach Hause, um sich das strafende Schweigen seiner Tochter zu ersparen. Ironischerweise hatte er darum gekämpft, sie bei sich zu haben.
    Ein harter Kampf war es allerdings nicht gewesen, da Caroline erkannt hatte, wie viele Freiheiten sie ohne die Verantwortung für einen Teenager gewann. Dieselbe Frau hatte es noch vor sechs oder sieben Jahren nicht ertragen, von Mann oder Kind getrennt zu sein. Damals hatte sie als Chefbuchhalterin bei einer internationalen Werbeagentur angefangen. Doch je mehr hochkarätige Kunden angerollt waren und je höher sie durch Beförderungen in der Hierarchie stieg, desto leichter fielen ihr die teuren Reisen nach New York City, London oder Tokio. In den letzten Jahren ihrer Ehe war die schöne, kultivierte, ehrgeizige Frau eine völlig Fremde für ihn geworden.
    Tully lehnte sich in seinem Sessel zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Wie sehr er Veränderungen hasste! Er sah sich in dem kleinen, nur von Neonröhren beleuchteten Raum um.Ihm fehlte sein Büro mit Fenstern. Wenn er nur daran dachte, dass er sich zwanzig Meter unter der Erde befand, bekam er Platzangst. Er hatte ernsthaft erwogen, die Stellung in Quantico abzulehnen, weil er wusste, dass die Unterstützende Ermittlungseinheit immer noch im Bauch des Trainingsgebäudes untergebracht war.
    Er rieb sich wieder die Augen, als es an seine Tür klopfte.
    „Agent Tully, Sie sind so spät noch hier?“
    Direktor Cunningham war zwar in Hemdsärmeln, Kragen und Manschetten waren jedoch zugeknöpft. Tully hatte die Ärmel salopp hochgeschoben. Cunningham trug die Krawatte noch fest um den Hals. Tullys Kragen stand offen, und seine Krawatte lag irgendwo zerknittert auf einem Aktenschrank.
    „Ich warte auf einen Anruf vom Gerichtsmediziner“, erklärte Tully. „Von Dr. Holmes.“
    „Und?“
    Cunningham lehnte sich gegen den Türrahmen, und Tully überlegte, ob er ihm einen Sessel freiräumen sollte. Im Gegensatz zum ordentlich aufgeräumten Büro seines Chefs sah seines aus wie ein überfüllter Lagerraum - stapelweise Unterlagen, verstreute Akten und überquellende Bücherregale. Er suchte in einem Stapel nach den entsprechenden Telefonnotizen, da er sich um diese Nachtzeit nicht auf sein Gedächtnis verlassen wollte, das abgeschaltet hatte wie ein überhitzter Computer.
    „Das Mädchen ... die junge Frau hatte einen Einschnitt von knapp zehn Zentimetern in der linken Seite, der sich in den Rücken zog. Dr. Holmes sagte, der Schnitt sei präzise ausgeführt gewesen wie bei einem chirurgischen Eingriff.“
    „Klingt nach unserem Mann.“
    „Er hat ihr die Milz entfernt.“
    „Eine Milz ist nicht sehr groß, oder? Es sah aus, als sei in dem Pizzakarton sehr viel mehr gewesen.“
    Tully griff nach Gray’s Anatomy , die er sich aus der Bibliothek geliehen hatte. Er blätterte zur markierten Seite und setzte seine Brille auf.
    „Die Milz ist etwa dreizehn Zentimeter lang, sieben Zentimeter breit und etwa drei Zentimeter dick“, las er laut, klappte das Buch zu und stellte es beiseite. „Laut diesem Buch wiegt sie etwa zweihundert Gramm, abhängig davon, in welchem Stadium der Verdauung man sich befindet. Viel größer wird sie im Normalfall nicht, nur bei Krankheit. Unser Opfer hatte an dem Tag nicht viel gegessen, deshalb war die Milz relativ klein. Dr. Holmes sagte, dass auch etwas Bauchspeicheldrüse daran hing.“
    „Hat man Fingerabdrücke am Fundort entdeckt?“
    „Ja, zwei ziemlich gute. Einen Daumen und einen Zeigefinger. Beide gehören nicht Stucky. Vielleicht wurden sie versehentlich von jemand am Tatort hinterlassen, allerdings sieht es eher so aus, als wären sie absichtlich hinterlassen worden. Der gesamte Rand des Abfallcontainers war abgewischt. Und dann sind diese beiden Abdrücke

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