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Maggie O´Dell 02 - Das Grauen

Maggie O´Dell 02 - Das Grauen

Titel: Maggie O´Dell 02 - Das Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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notiert und in einer Studentenakte aufbewahrt haben. Und natürlich hatte er vor diesem Treffen ihre Akte durchgesehen, um im Vorteil zu sein. Nicht dass er das nötig gehabt hätte. Sie zwang ihre Hände zum Stillhalten, obwohl sie gern fest die Armlehnen gepackt und die Fingernägel ins Leder gebohrt hätte, um sich daran zu hindern, vor dieser lächerlichen Inquisition zu flüchten.
    „Machte den Abschluss in Kriminalpsychologie“, fuhr er in seinem drolligen Ton fort. „Bekam eine Assistenzstelle in der forensischen Abteilung in Quantico.“ Schließlich sah er zu ihr auf. Seine wässerigen blassblauen Augen wurden durch das dicke Brillenglas vergrößert, darüber sprossen buschige weiße Brauen. Er rieb sich das Kinn und sagte: „Ich frage mich, wie weit sie es gebracht hätte, wenn sie eine sehr gute Studentin gewesen wäre.“ Er sah sie auf Antwort wartend an.
    Wie gewöhnlich erwischte er sie unvorbereitet. Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Er hatte das Talent, Menschen zu entwaffnen, indem er ihnen das Gefühl gab, unsichtbar zu sein. Dann erwartete er plötzlich eine Antwort auf etwas, das nie infrage gestanden hatte. Maggie blieb stumm, erwiderte seinen Blick nur ruhig und schwor sich, nicht klein beizugeben. Es ärgerte sie, dass er sie mit wenigen Worten und diesem durchdringenden Blick zu einem unsicheren, sprachlosen Teenager degradierte. Das war zweifellos nicht ihre Vorstellung von Therapie. Cunningham war gehörig auf dem Holzweg. Sie zu einem Psychologen zu schicken war Zeitverschwendung. Sie zu Kernan zu schicken half ihr nicht, sondern gefährdete zusätzlich ihre psychische Stabilität.
    „Margaret O’Dell, der stille kleine Vogel in der Ecke, die gute Studentin, die sich so sehr für Kriminelle interessierte, aber nicht der Meinung war, sie gehöre in meine Vorlesung, ist nun Spezialagentin Margaret O’Dell, die eine Waffe trägt und ein glänzendesAbzeichen und wieder mal der Meinung ist, sie gehöre nicht in meine Praxis.“
    Er sah sie an, erwartete eine Reaktion und stellte immer noch keine Frage. Die Ellbogen auf die wackeligen Stapel Unterlagen gestemmt, verschränkte er die Finger miteinander.
    „Stimmt doch, oder? Sie finden, Sie sollten nicht hier sein.“
    „Ja, das stimmt“, bestätigte sie mit kräftiger, trotziger Stimme, obwohl der Mann sie höllisch einschüchterte.
    „Ihre Vorgesetzten irren sich also. Trotz des jahrelangen Trainings, trotz der Erfahrung liegen sie schlichtweg falsch. Ist das so?“
    „Das habe ich nicht gesagt.“
    „Wirklich nicht? Haben Sie das etwa nicht gesagt?“
    Wortspiele, Gedankenspiele, Konfusion - Kernan war ein Meister darin. Maggie musste sich konzentrieren. Sie durfte nicht zulassen, dass er ihre Worte verdrehte. Sie wollte ihm nicht in die Falle gehen.
    „Sie haben mich gefragt, ob ich der Meinung sei, dass ich nicht hier sein sollte“, erklärte sie ruhig. „Ich habe das bejaht. Ich glaube nicht, dass ich hier sein sollte.“
    „Aaaaah“, machte er und ließ den Laut in einen Seufzer übergehen, als er sich in seinem Sessel zurücklehnte. Er legte die Hände auf die Brust, und das verknitterte Jackett sprang auf. „Ich bin sehr froh, dass Sie das für mich geklärt haben, Margaret O’Dell.“
    Sie erinnerte sich, dass ihre Vier-Augen-Gespräche mit ihm immer etwas von einem Verhör gehabt hatten. Und es wurmte sie, dass dieser tüddelige alte Mann, der aussah, als schliefe er in seinen Klamotten, immer noch so viel Autorität hatte. Nicht gewillt, sich nervös machen zu lassen, sah sie ihn ruhig, abwartend an.
    „Verraten Sie mir, Margaret O’Dell, die der Meinung ist, sie gehörtnicht in meine Praxis, genießen Sie Ihre Besessenheit von Albert Stucky?“
    Ihr Magen zog sich zusammen. Verdammt! Man konnte sich drauf verlassen, dass Kernan zur Jagd blies.
    „Natürlich nicht!“ Stimme und Blick blieben gelassen. Sie durfte nicht zu häufig blinzeln. Er würde ihre Wimpernschläge zählen. Trotz dieser Panzergläser in der Brille würde Kernan nicht das kleinste Zucken entgehen.
    „Warum sind Sie dann weiterhin so besessen?“
    „Weil ich will, dass er gefangen wird.“
    „Und Sie sind die Einzige, die ihn fangen kann?“
    „Ich kenne ihn besser als jeder andere.“
    „Oh ja, natürlich. Weil er sein kleines Hobby mit Ihnen geteilt hat. Richtig? Er hat Ihnen eine kleine Tätowierung hinterlassen, eine Art Brandzeichen, das Sie immer an ihn erinnern soll.“
    Sie hatte vergessen, wie grausam Kernan sein

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