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Maggie O´Dell 02 - Das Grauen

Maggie O´Dell 02 - Das Grauen

Titel: Maggie O´Dell 02 - Das Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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zögerte und zog langsam die Hand aus der Tasche. Ihr fiel auf, wie kräftig und muskulös sie war, als er sie ihr hinhielt. Dabei zielte er ein wenig daneben. Sie trat näher und schüttelte ihm die Hand, in der die ihre versank, da seine Finger sie bis zum Gelenk umschlossen. Er überraschte sie mit einem Handschlag, der fast eine Liebkosung war. Den Eindruck verdrängte sie jedoch ebenso rasch wie ihr aufkeimendes Unbehagen.
    „Ich bin gerade erst gekommen“, sagte sie und zog die Hand zurück. „Ich hatte noch keine Möglichkeit, rasch durchs Haus zu gehen“, fügte sie hinzu und sagte sich sogleich, dass er den Unterschied ja nicht bemerken würde. Wie sollte sie ihm überhaupt ein Haus zeigen, wenn er nichts sah?
    Er wandte sich ab und wanderte selbstsicher vor ihr her durch den Raum, den weißen Stock auftippend. Am Erker zum Garten blieb er stehen, suchte den Griff und öffnete das Fenster. So stand er da und blickte hinaus, als fasziniere ihn der Garten.
    „Die Sonne fühlt sich wunderbar an.“ Den Kopf zurückgelegt, ließ er das Gesicht vom strahlenden Sonnenschein wärmen. „Ich weiß, das klingt vielleicht albern, aber ich mag große Fensterfronten.“
    „Das klingt überhaupt nicht albern.“ Sie sprach unwillkürlichlauter, merkte es und schalt sich dafür. Der Mann war blind, nicht taub.
    Sie studierte sein Gesicht im Profil. Die gerade Nase hatte einen schwachen Knick. Und aus diesem Blickwinkel erkannte sie eine kleine Narbe unter dem Kinn. Sie fragte sich, ob er nach einem Unfall erblindet war. Trotz seiner Behinderung schien er Selbstvertrauen zu besitzen. Sein Verhalten und die Art, sich zu bewegen, vermittelten Selbstsicherheit. Dennoch wirkten seine Gesten etwas steif, und er schob die Hand immer wieder in die Tasche zurück. War er nervös oder ängstlich?
    „Wie groß sind die immergrünen Bäume?“ fragte er, und seine Stimme schreckte sie auf. Sie hatte fast vergessen, weshalb sie hier waren.
    „Wie bitte?“
    „Ich rieche Nadelbäume. Sind es viele? Sind sie groß oder klein?“
    Tess trat näher und hielt so viel Abstand wie möglich, um dennoch durchs Fenster sehen zu können. Die Grundstücke hier waren riesig, und die immergrünen Bäume, meist Zedern und Pinien, bildeten am entlegenen Ende eine natürliche Begrenzung. Sie konnte die Bäume nicht riechen, aber seine Sinne waren vermutlich geschärfter.
    „Es sind sehr große Zedern und Pinien, in einer Reihe gepflanzt, um die Grundstücke voneinander zu trennen.“
    „Gut, ich mag Privatsphäre.“ Er wandte sich ihr lächelnd zu. „Ich hoffe, es ist Ihnen nicht unangenehm, dass Sie mir einiges beschreiben müssen.“
    „Nein, natürlich nicht“, versicherte sie und hoffte, es klang überzeugend. „Wo möchten Sie den Rundgang beginnen?“
    „Man sagte mir, es gibt hier einen wunderbaren Haupt-Schlafraum. Könnten wir dort anfangen?“
    „Eine gute Wahl“, erwiderte sie und ärgerte sich erneut, dass ihr nicht genügend Zeit geblieben war, nach dem Rechten zu schauen. Hoffentlich hatte dieser Peterson nicht irgendwo seinen ganzen Mist hinterlassen. „Möchten Sie lieber allein gehen, oder soll ich Sie am Arm führen?“
    „Sie riechen recht nett.“
    Sie sah ihn verblüfft an.
    „Das ist Chanel Nr. 5, richtig?“
    „Ja, stimmt.“ Flirtete er etwa mit ihr?
    „Ich folge Ihrem wunderbaren Duft. Gehen Sie voran.“
    „Wie Sie wollen.“
    Sie ging langsam, fast zu langsam, so dass er sie auf dem oberen Treppenabsatz mit der ausgestreckten Hand berührte. Er ließ die Hand auf ihrer Hüfte, als stütze er sich ab. Zumindest deutete Tess es so. Sie hatte unangenehmeres absichtliches Begrapschen erlebt als das hier.
    Das große Schlafzimmer roch nach Reinigungsmittel, und Tess sah sich rasch um. Wer immer hier zuletzt gewesen war, hatte gründlich sauber gemacht. Der Raum war in Ordnung, roch frisch geschrubbt und sah auch so aus. Sie fand es merkwürdig, dass Mr. Harding, dessen Geruchssinn sich unten als so sensibel erwiesen hatte, zu diesem überwältigenden Duft keinen Kommentar abgab.
    „Der Raum ist etwa 9 mal 6“, erklärte sie. „Ein weiteres Erkerfenster an der Südseite zeigt zum Garten. Der Boden ist Eichenparkett. Es gibt ...“
    „Verzeihen Sie, Miss McGowan.“
    „Bitte nennen Sie mich Tess.“
    „Tess, natürlich.“ Er blieb lächelnd stehen. „Ich hoffe, Sie finden das nicht aufdringlich, aber ich habe immer gern eine Vorstellung vom Aussehen der Frau, mit der ich spreche. Darf ich Ihr

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