Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
blickte prüfend auf die Straße und das Gehölz hinter dem Haus. Die Augen leicht verengt,versuchte sie im Zwielicht die Schatten der Bäume genauer zu erkennen. Sie suchte nach Ungewöhnlichem, nach Bewegung. Jedes Rascheln eines Busches, jedes Schwingen eines Astes in der leichten Brise verunsicherte sie so sehr, dass sie die Anspannung von Muskeln und Nerven spürte.
Vorhin hatte sie einen Bauarbeiter am Ende der Straße bemerkt, der Gullygitter kontrollierte und Pylone aufstellte. Sein Overall war zu sauber, und seine Schuhe waren zu glänzend poliert gewesen. Sie hatte sofort gewusst, dass er zu Cunninghams Überwachungsmannschaft gehörte. Wie konnte Cunningham erwarten, Stucky mit so amateurhaften Strategien zu fangen? Wenn sie die Tarnung bemerkte, dann Stucky, das professionelle Chamäleon, erst recht. Da er Identitäten und Rollen mit Leichtigkeit wechselte, erkannte er schlechtere Tarnungen auf Anhieb.
Sie verabscheute es, sich im eigenen Haus wie ein Tier im Käfig zu fühlen. Außer dem Klicken ihrer Absätze auf dem polierten Holzboden hörte sie absolut nichts. Kein Rasenmäher, kein Automotor, keine spielenden Kinder. Andererseits waren gerade die Ruhe und Abgeschiedenheit des Hauses kaufentscheidend für sie gewesen. Sie hatte sich einen Wunsch erfüllt. Aber wie hieß es so schön: Gib Acht, was du dir wünschst!
Sie förderte ihren CD-Player zu Tage und tauchte in die überquellende Kiste mit CDs ab. Einige waren noch in Zellophan verschweißt. Geschenke von Freunden. Sie hatte nie die Zeit gehabt, sie zu öffnen, geschweige denn zu genießen. Sie wählte einen frühen Jim Brickman aus und hoffte auf die beruhigende Wirkung der Klaviersoli. Die Musik hatte kaum eingesetzt, als Maggie Susan Lyndell die runde Zufahrt heraufkommen sah. Offenbar war es zu früh für Stressabbau.
Sie öffnete die Tür, ehe Susan die Stufen zum Eingang hinaufgestiegen war, und blickte suchend umher, nur nicht zu Susan.Nachdem sie den Blick einmal hatte schweifen lassen, tat sie es ein zweites Mal.
„Wie war die Reise?“ fragte Susan, als wären sie alte Freundinnen.
„Ganz gut.“ Maggie zog sie sacht am Ellbogen in die Eingangshalle.
Susan sah sie erstaunt an. Bei ihrem ersten Besuch war sie kaum ins Haus gelassen worden, und nun zog man sie gleich herein?
„Ich bin gestern Abend spät zurückgekommen“, erklärte Maggie und schloss die Tür. Ihr graute bei der Vorstellung, dass Stucky zusah und sein nächstes Opfer auswählte.
„Ich wollte Sie anrufen, aber Sie stehen nicht im Telefonbuch.“
„Nein“, bestätigte sie nachdrücklich, damit Susan nicht auf die Idee kam, nach ihrer Nummer zu fragen. „Haben Sie mit Detective Manx gesprochen?“
„Das wollte ich Ihnen ja gerade erzählen. Ich glaube, ich habe mich da neulich geirrt.“
„Warum glauben Sie das?“ Maggie wartete auf eine Antwort, während ihre Nachbarin den Stapel Kartons betrachtete, den Blick durchs leere Wohnzimmer wandern ließ und sich vermutlich fragte, wie sie sich so ein Haus leisten konnte.
„Ich habe mit Sid gesprochen“, erklärte Susan schließlich und sah Maggie an, obwohl sie immer noch von ihrem Hausrat, besser gesagt, vom Fehlen desselben, abgelenkt schien.
„Mit Mr. Endicott? Worüber denn?“
„Sid ist ein guter Mann. Es tut mir so Leid, dass er das alles allein durchstehen muss. Ich dachte, er hätte ein Recht, es zu erfahren. Nun ja, Sie wissen schon ... wegen Rachel und diesem Mann.“
„Dem Mann vom Telefondienst?“
„Ja.“ Susan wandte den Blick ab, aber das hatte nun nichts mehr mit Neugier auf die Umgebung zu tun.
„Was haben Sie ihm erzählt?“
„Nur, dass sie möglicherweise mit ihm weggegangen ist.“
„Verstehe.“ Maggie fragte sich, wie Susan Lyndell ihre Freundin so einfach verraten konnte. Und warum nahm sie plötzlich ganz selbstverständlich an, Rachel sei mit dem Fremden durchgebrannt, dem sie vor kurzem noch unterstellt hatte, er könnte ihrer Freundin etwas angetan haben? „Und was hat Mr. Endicott dazu gemeint?“
„Ach, vielleicht haben Sie das noch nicht gehört. Rachels Wagen war nicht in der Garage. Die Polizei sah Sids Mercedes dort und hat nicht bemerkt, dass Rachels fehlte. Sie bringt Sid gewöhnlich zum Flughafen, wenn er verreist, damit er seinen Wagen nicht auf dem Flughafenparkplatz abstellen muss. Er macht sich immer Sorgen um sein Auto. Jedenfalls glaube ich, Rachel muss mit diesem Typen gegangen sein. Sie war wirklich verknallt in ihn.“
„Was ist mit dem
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