Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maggie O´Dell 02 - Das Grauen

Maggie O´Dell 02 - Das Grauen

Titel: Maggie O´Dell 02 - Das Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
Vom Netzwerk:
Gesicht berühren?“
    Zuerst glaubte sie, ihn falsch verstanden zu haben, und wusste nicht, was sie sagen sollte. War seine Berührung auf dem Treppenabsatz wirklich nur eine harmlose Fehlkalkulation seiner Bewegung gewesen, oder hatte er sie tatsächlich angegrapscht?
    „Tut mir Leid. Sie sind pikiert“, entschuldigte er sich mit leiser, beruhigender Stimme.
    „Nein, natürlich nicht“, versicherte sie rasch, um nicht durch ihre Paranoia noch den Kunden zu verlieren. „Ich fürchte nur, ich war nicht ausreichend darauf vorbereitet, Ihnen zu helfen.“
    „Es ist wirklich schmerzlos“, beschwichtigte er, als erläutere er ihr einen chirurgischen Eingriff. „Ich benutze nur meine Fingerspitzen. Ich versichere Ihnen, ich werde Sie nicht betatschen.“ Er verzog die Lippen wieder zu einem Lächeln, und Tess fand ihr Zaudern lächerlich.
    „Bitte, machen Sie nur.“ Trotz ihres Unbehagens trat sie näher.
    Er stellte den Stock beiseite und begann langsam und vorsichtig ihre Haare zu betasten. Er benutzte beide Hände, aber nur die Fingerspitzen. Sie vermied es, ihn anzusehen, und starrte über seine Schulter hinweg. Seine Hände rochen leicht nach Ammoniak, oder war das nur der intensive Geruch des frisch geschrubbten Bodens? Die Finger strichen ihr über Stirn und Augenlider.
    Sie versuchte deren leichte Feuchtigkeit zu ignorieren und sah ihn kurz an, um festzustellen, ob er so nervös war wie sie. Nein, er wirkte ruhig und gefasst. Die Finger strichen langsam an beiden Gesichtsseiten über die Wangen hinab, und sie unterdrückte den Gedanken, dass es sich wie eine Liebkosung anfühlte.
    Die Fingerspitzen wanderten zu ihren Lippen, wobei der Zeigefinger zu lange verweilte und hin und her rieb. Ganz kurz fühlte es sich an, als wolle er ihr den Finger in den Mund pressen. Erschrocken sah sie ihn an und versuchte hinter den dunklen Brillengläserndie Augen zu erkennen. Als es ihr gelang und sie einen flüchtigen Blick auf schwarze Augen erhaschte, starrten die sie direkt an. War das möglich? Nein, natürlich nicht. Sie war nur wieder paranoid, eine ärgerliche Neigung, Relikt ihrer schillernden Vergangenheit.
    Inzwischen waren die Finger an ihrem Kinn angelangt und glitten hinab zur Kehle. Sie wischten kurz durch den Ausschnitt ihrer Bluse, über das Schlüsselbein, und er zögerte, als stelle er sie auf die Probe, um festzustellen, wie weit sie ihn gehen ließ. Sie begann zurückzuweichen, als er die Finger um ihre Kehle legte.
    „Was tun Sie?“ japste Tess und griff nach seinen großen Händen. Jetzt drückte er zu, würgte sie und sah sie definitiv an, ein bösartiges Lächeln auf den Lippen. Sie zerkratzte ihm die Hände, doch die packten so fest zu wie die Kiefer eines Pitbulls. Sie wehrte sich und kämpfte, aber er stieß sie zurück, so dass ihr Kopf mit Wucht gegen die Wand schlug und sie vor Schmerz die Augen schloss. Sie konnte nicht mehr atmen und nicht denken. Oh Gott, er war so stark!
    Als sie die Augen öffnete, hatte er eine Hand weggenommen. Gierig rang sie mit schmerzenden Lungen nach Luft. Doch ehe sie zu Kräften kam, schob er sie mit einem Arm gegen die Wand, damit sie nicht entweichen konnte, und presste ihr den Ellbogen auf die Kehle, was sie abermals in Atemnot brachte. Da sah sie die Spritze in seiner freien Hand.
    Von Panik erfasst, schlug und trat sie mit Armen und Beinen. Zwecklos. Er war viel zu stark für sie. Die Nadel durchstach ihre Jacke und drang ihr tief in den Arm. Sie spürte ein Zucken im ganzen Körper. Innerhalb von Sekunden begann sich der Raum zu drehen. Hände, Knie, alle Muskeln erschlafften, und dann wurde es schwarz ringsum.

32. KAPITEL
    Sobald Maggie Dr. Kernans Büro betrat, war sie wieder die neunzehnjährige Collegestudentin. Mit dem, was Nase und Augen wahrnahmen, kehrten die Erinnerungen an Verwirrung, Unsicherheit und Einschüchterung jener Zeit blitzartig zurück. Obwohl seine Praxis im Wilmington Tower in Washington, D.C., lag und nicht mehr auf dem Campus der Universität von Virginia, waren Ausstattung und Gerüche gleich geblieben.
    Ihr Geruchssinn wurde mit einem Gemisch aus abgestandenem Zigarrenrauch, altem Leder und Ben-Gay-Einreibemittel traktiert. Der kleine Raum wies dieselben eigenartigen Utensilien auf wie damals. In einem Glas schwamm der in Formaldehyd konservierte abgetrennte Frontlappen eines menschlichen Hirns. Das Glas diente - welch Ironie - als provisorische Buchstütze für Titel wie Hitler erklären: Die Suche nach den Quellen des

Weitere Kostenlose Bücher