Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
herausfordernd, was alles noch schlimmer machte.
Selbst Ganzas faltiges, eingefallenes Gesicht verriet Ungeduld. Die zwei sahen ihn abwartend, leicht vorwurfsvoll an, als halte er sie unnötig auf.
„Ich dachte, wir wären letzte Nacht übereingekommen, dass hier nichts zu finden ist.“
„Nein, wir waren übereingekommen, dass wir gestern Abend nichts mehr tun konnten. Obwohl es viel besser gewesen wäre, den Test gestern Abend zu machen. Hoffentlich ist es dunkel genug. Aber wir haben Glück, dass es so wolkig ist.“
Ganza nickte, beide warteten, und plötzlich kamen Tully die eigenen Einwände unreif und arrogant vor. Hier gab es nichts zu entdecken. Die Veranstaltung war eine lächerliche Verschwendung von Zeit und Arbeitskraft. Doch anstatt darauf zu beharren, war es vielleicht besser, wenn O’Dell das selbst herausfand. Vielleicht war sie dann zufrieden.
„Bringen wir es hinter uns“, sagte er schließlich. „Was soll ich tun?“
„Schließen Sie die Tür und bleiben Sie beim Lichtschalter.“ Ganza machte eine entsprechende Geste und nahm seine Videokamera auf. „Ich sage Ihnen, wann Sie das Licht aus- und wieder einschalten sollen. Maggie, schnappen Sie sich ein paar Sprühflaschen. Sie spritzen, ich bin gleich neben Ihnen und filme.“
Tully begab sich auf seine Position, ohne Unwillen und Gereiztheit länger zu verbergen. Allerdings merkte er auch, dass sein bewusstes Zeigen von Aversion weder auf O’Dell noch auf Ganza Eindruck machte. Sie waren so in ihr Projekt vertieft, dass sie ihn kaum wahrnahmen, außer als Hilfskraft.
Er sah O’Dell zwei Sprühflaschen nehmen und wie Revolver vor sich halten, beide Finger am Abzug.
„Beginnen wir an der Wand nahe der Tür und gehen dann zum Bad“, gab Ganza in seiner monotonen Sprechweise Anweisung. Seine Stimme verriet nie Emotionen, was perfekt zu der großen, leicht eingefallenen Gestalt mit den präzise abgezirkelten Bewegungen passte.
„Maggie, Sie kennen die Vorgehensweise. Sie beginnen an der Wand von oben nach unten, dann auf dem Boden von der Wand zur Mitte“, fuhr Ganza fort. „Ein ständiger Sprühnebel sollte bis zum Bad gehen. An der Badezimmertür machen wir Pause. Da müssen Sie wahrscheinlich Luminol nachfüllen.“
„Kapiert.“
Tully merkte, dass O’Dell und Ganza schon als Team gearbeitet hatten. Sie schienen sich wohl miteinander zu fühlen, jeder kannte die Rolle des anderen. Außerdem hatte es O’Dell immerhin geschafft, den Mann trotz seines überfüllten Terminplans vor dem Morgengrauen herzulotsen.
Tully wartete auf seinem Posten, die Arme vor der Brust verschränkt,die Schulter an die geschlossene Tür gelehnt. Er ertappte sich dabei, mit der Fußspitze auf den Boden zu tippen, eine unbewusste, nervöse Geste, die er laut Emma immer machte, wenn er „engstirnig“ war. Wo zum Teufel hatte sie solche Sachen her? Jedenfalls hörte er auf, mit dem Fuß zu tippen.
„Wir sind so weit, Agent Tully. Schalten Sie die Lichter aus“, sagte Ganza.
Tully kippte den Schalter und war augenblicklich von absoluter Dunkelheit umgeben. Nicht ein Lichtstrahl fiel ins Zimmer. Er konnte nicht mal mehr erkennen, wo die Fenster waren.
„Das ist ausgezeichnet“, hörte er Ganza sagen.
Dann hörte er ein leise elektronisches Surren, und ein kleines rotes Licht erschien dort, wo die Videokamera sein musste.
„Bereit, wenn Sie so weit sind, Maggie“, sagte Ganza, als das rote Licht aufglühte.
Tully hörte das ständige Spritzen von Flüssigkeit. Es klang, als würde sie die gesamte Wand einnebeln. Er fragte sich, wie viele Flaschen Luminol sie wohl brauchte, bis sie merkte, dass es hier nichts zu entdecken gab. Plötzlich begann die Wand zu glühen. Tully richtete sich auf, ebenso die Haare in seinem Genick.
„Grundgütiger Himmel!“ japste er und starrte ungläubig auf die Streifen, Flecken und Handabdrücke auf der gesamten Wand, die jetzt wie fluoreszierende Farbe aufleuchteten.
41. KAPITEL
Maggie wich zurück und machte Keith Platz. Es war schlimmer, als sie erwartet hatte. Die Streifen deuteten eindeutig auf die streckenden, hinlangenden, krallenden und wischenden Bewegungen einer verzweifelten, in Panik befindlichen Person. Die Handabdrückewaren klein, fast Kindergröße. Sie erinnerte sich, mit wie zarten Händen Jessica Beckwith ihr den Pizzakarton hingehalten hatte.
„Mein Gott, ich kann es nicht glauben!“
Sie wusste, dass Tully überzeugt gewesen war, hier nichts zu finden. Ihm das Gegenteil zu
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