Magic Cottage
durch bis in meine Seele.
»Mike, ich will, daß du es siehst«, beharrte Midge.
Ihr Gesicht schwebte dicht über mir und sah wesentlich fröhlicher aus als gestern abend. Genaugenommen strotzte Midge ziemlich vor Leben, und ihre Berührung mußte wie ein elektrischer Schlag gewesen sein, denn jetzt wurde ich plötzlich sehr lebendig. Das war der zweite Morgen, an dem ich vital und erfrischt erwachte, und wie bereits erwähnt, war das bei mir absolut nicht üblich. Allmählich wurde ich zum überzeugten Frühaufsteher.
Ich zog sie zu mir herunter, und sie balgte sich lachend frei. »Nein, ich will, daß du runterkommst und es siehst!« Sie machte sich los, nahm meinen über einen Stuhl gehängten Morgenmantel und warf ihn mir zu; und schlug gleichzeitig die Bettdecke zurück.
Ich schwang die Beine hinaus und schlüpfte in den Morgenmantel. »Macht's dir was aus, mir zu sagen, was die Aufregung soll?« nörgelte ich; aber es war ein gespieltes Nörgeln.
»Das wirst du schon sehen!«
Sie lachte und zog mich hoch und zur Tür. Das weiße Nachthemd, das sie trug (eins meiner alten, kragenlosen Hemden mit aufgerollten Ärmeln) flatterte um ihre nackten Beine — der erste erfreuliche Anblick an diesem Morgen.
»Schöner Tag wieder«, bemerkte ich, als wir am Fenster vorbeikamen. Die freundlichen Vögel in unserer Nachbarschaft machten auf ihre Anwesenheit aufmerksam.
»Hier ist jeder Tag schön.«
Ich sah keinen Sinn darin hervorzuheben, daß wir erst seit zwei Tagen hier wohnten; also ließ ich mich kommentarlos zur Treppe schleppen.
»Oh, Gudgeon, ich hoffe, du hast einen triftigen Grund!« — Der Treppenläufer, der vor unserem Einzug neu verlegt worden war, war weich und flauschig unter meinen Fußsohlen, und das Holz darunter fühlte sich gut und fest an. O'Malley war nichts entgangen.
Wir kamen in die Küche; Midge zog mich weiter, dann trat sie beiseite und bedeutete mir, allein voranzumarschieren. Die Hände in den Taschen des Morgenmantels, tat ich, wie mir geheißen - und blieb schließlich erwartungsvoll stehen. Ich hatte nicht das Gefühl, daß sich der Raum irgendwie verändert hatte.
Ich drehte mich um und wollte etwas sagen, doch ein heftiges
Flattern ließ mich zusammenzucken. Der Vogel flog durch den Raum und landete auf dem Küchenschrank. Er tschilpte mir eine Begrüßung entgegen, möglicherweise auch eine Warnung; ich bin mir nicht sicher, was.
»Wie kommt der hier rein?« — Daß das Fenster noch geschlossen war, hatte ich bereits registriert.
»Es ist die Misteldrossel, Dummkopf. Diejenige, die gestern noch einen gebrochenen Flügel hatte.«
Ich starrte sie gebannt an; dann den Vogel, der munter auf dem Küchenschrank herumhüpfte. Er schwang sich wieder empor und segelte zum Fenster hinüber. Auf der Gardinenstange darüber bezog er Posten.
»Das gibt es nicht, Midge. Es kann nicht derselbe Vogel sein.«
Midge lachte über meine Ungläubigkeit. »Sieh ruhig nach. In der Schachtel wirst du die Drossel nicht mehr finden.«
»Aber das ist unmöglich!« wiederholte ich und ging tatsächlich zu der Pappschachtel hinüber, die nach wie vor in der Nische stand.
Was mein unmöglich betraf, war die Misteldrossel eindeutig anderer Meinung, denn sie flatterte zum Tisch, auf dem bereits ein Häufchen Brotkrumen bereitgelegt war — vermutlich von Midge. Unser kleiner Schützling pickte los; sein Appetit war so gesund wie sein Flügel.
»Midge«, sagte ich warnend. »Wenn das ein hinterhältiger Witz sein soll, dann... Es ist einer von deinen Freunden da draußen, hab' ich recht?«
»Ich schwör's dir, Mike, es ist derselbe Vogel! — Ist das nicht phantastisch?«
»Ich glaub's einfach nicht!« Ich schüttelte den Kopf, ließ die Drossel nicht aus den Augen und vermutete noch immer, daß ich zum Narren gehalten wurde. »Es ist unmöglich, Midge — absolut unmöglich -, daß der Flügel über Nacht geheilt ist. Er war so schlimm gebrochen, daß ich dem Kerlchen absolut keine Chance mehr gegeben habe.«
»Du hast nicht recht behalten.« Midge ging zum Tisch, und unser robuster kleiner Freund hörte auf zu picken und betrachtete sie. Sie hob einen Krümel hoch und hielt ihn vor, und zu meinem Erstaunen nahm ihn der Vogel behutsam aus ihren Fingern, ohne die geringste Furcht zu zeigen.
Ein Vogel sieht aus wie der andere, jedenfalls wenn er zur gleichen Art gehört, deshalb konnte ich beim besten Willen nicht sagen, ob das hier unser Freund war oder nicht. Trotzdem, die Frage blieb
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