Magic Cottage
Sorgfalt zubereitet hatte— immerhin war es unser erstes ›richtiges‹ Abendessen in Gramarye —, verlegten wir das gesellige Beisammensein nach oben, ins runde Zimmer. Ich schaltete den Fernseher an, aber das Bild war lausig; pures
Schneetreiben; und da ohnehin keiner von uns wirklich fernsehen wollte, schaltete ich bald darauf wieder ab. Ich nahm mir vor, morgen irgend etwas in Sachen Antenne zu unternehmen. Eine Weile saßen wir schweigend und entspannt bei einem Glas Smilson (einem sehr guten Tropfen), und ich war froh, daß wenigstens der Plattenspieler funktionierte. Beide waren wir an diesem Abend im Einklang mit uns und unserer Umgebung; keine traurigen Erinnerungen schmälerten Midges Zufriedenheit, und was mich betraf — an mir nagten keine Vorbehalte mehr, diesen Umzug gewagt zu haben. Als die LP abgelaufen war, bat sie mich, etwas für sie zu spielen, und das war nicht neu; wenn sie abends noch am Zeichenbrett zu tun gehabt hatte, früher, hatte ich das oft getan, oder wenn mir einfach danach zumute gewesen war.
Ich holte die Gitarre, und Midge öffnete für mich noch eine Flasche Wein.
Und jetzt hing ich zurückgesunken auf dem Sofa, die Fingerspitzen beider Hände kribbelten noch von der Berührung mit den Gitarrensaiten, und Midges Kopf ruhte an meiner Brust; es dauerte nicht lange, bis sich unsere gegenseitige Nähe und Wärme in beiderseitiges Verlangen wandelte.
Anders als bei unserer wahnwitzigen, rauschähnlichen Vereinigung am Morgen war es dieses Mal sanft, beinahe träge; wir kosteten jede Bewegung, jeden Augenblick in vollen Zügen, und genossen selbst die zurückgehaltene Heftigkeit. Und so, wie sich die Sinnlichkeit unserer Körper steigerte, so schien sich auch der Raum um uns her zu drehen und sich mit uns zu verweben, und die letzten verblassenden Strahlen der Sonne verwandelten sich in ein Farbenspektrum, das geprägt war von jener sanguinischen Röte, die allgegenwärtig die Wände befleckte.
Unser Liebesakt wurde langsam zu etwas Großem, zu einer machtvollen Expansion unterschiedlichster Empfindungen, die weit über unsere physische Existenz hinausging und die auch nicht allein in unserem Geist explodierte, sondern zu einem Feuerwerk sich gemächlich ausbreitender Energieschauer erup-tierte. Man stelle sich einen Zeitlupenfilm vor: Glas, das in Tausende - Millionen - von Bruchstücken zerspringt, jedes einzelne Teil gleißend im Licht, jedes auch noch so winzige Stück ein eigenes Wesen, ein eigenes Ich — das könnte eine körperliche Entsprechung der sinnlichen Reaktion darstellen, die in uns er-regt wurde, auch wenn dieser Vergleich bei weitem nicht exakt ist, denn solch ein sprödes Zersplittern ist die genaue Antithese zu jenen sanften Sternenausbrüchen, die wir beide erlebten. Wir vereinten uns, und doch verschmolzen wir nicht allein miteinander, sondern auch mit der Luft rings um uns her und mit den Mauern und mit allen darin lebenden Organismen. Auf eine unfaßliche Art und Weise hatten wir eine andere Ebene erreicht, eine Ebene, die wir vielleicht alle von Zeit zu Zeit einmal erblik-ken — jedoch immer von deren Peripherie her, an der wir leben, immer genau vom Rand; verschwommen wissen wir von ihrem Vorhandensein, doch sind wir nie in der Lage, sie deutlich umrissen wahrzunehmen, da unser Verstand stets von seiner eigenen begrenzten Wahrheit geschlagen wird.
Schwer verdaulich, hab' ich recht? Ich versuche damit, Ihnen (zugegebenermaßen unbeholfen) einen Schimmer dessen zu vermitteln, was an jenem Abend in Gramarye mit uns geschehen ist. Und vielleicht auch, das Ganze für mich selbst in eine Art Perspektive zu rücken.
Aber da war noch mehr. Wir fühlten die Aura von Gramarye, einen Geist, der nichts zu tun hatte mit Flora Chaldean oder all den anderen, die das Cottage vor ihr bewohnt hatten — ein Geist, der das Wesen dieses Ortes selbst war. Seine ureigene Natur, wenn Sie so wollen. In den Strukturen des Hauses, in der Natur, in der Atmosphäre ringsum — überall herrschte eine gewaltige Güte, ein Strömen — und Ausströmen — erdener Reinheit.
Doch da alles Positive auch seine negative Seite hat, gab es auch hier etwas Dunkles, Lauerndes ... etwas Böses. Wir spürten es, an der Peripherie, ein Schatten, der nicht definiert werden konnte, eine Macht, die schlafend lag und wenig Kraft besaß. Doch sie war da.
Wir erfuhren diese Dinge, aber sie waren nicht scharf kontu-riert, und die Wahrnehmung war bald darauf mit dem Verebben unserer körperlichen
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