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Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Titel: Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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war die
reinste Marcel-Marceau-Scheiße, aber auf Speed, die ich da abzog, nur um den
guten alten Klaus-Dieter zu beruhigen, der dastand und mich mit offenem Mund
anglotzte, in der einen Hand ein Fischbrötchen und die Tasche, mit der er immer
zur Arbeit ging, nach Spackenart diagonal über Brust und Schulter hängend, na
gut, das war jetzt modern, so gesehen hatte sich bei ihm die Spackenbeharrlichkeit
ausgezahlt, das war ihm auch zu gönnen, aber jetzt begann er schwer zu atmen,
zu hyperventilieren, sein Mund schnappte auf und zu und dann rief er etwas, was
aber, weil in diesem Moment der Motor der Barkasse angeworfen wurde, nicht zu
verstehen war und ich machte mit der offenen Hand eine beruhigende, leicht
winkende Handbewegung und Klaus-Dieter winkte zurück, das rührte mich und ich
stellte mit großer Geste die angebrochene Flasche wieder zurück auf den Tisch
zu den anderen und zeigte auf mich und dann auf die Kajüte und machte dann
Handbewegungen, die das Trinken einer Tasse Kaffee darstellten, also die
imaginäre Tasse mit drei Fingern am imaginären Henkel von der imaginären
Untertasse nehmen, dabei den kleinen Finger abspreizen, Tasse zum Mund führen,
Tasse wieder absetzen, dann zeigte ich wieder auf die Kajüte und stand auf und
ging da hin und verschwand in der Kajüte, wo ich mir bei einer Frau, die dort
einen Kiosk betrieb, eine Tasse Kaffee geben ließ, mit der ich wieder ans Deck
trat, schwankend dabei und hin- und herrollend und breitbeinig gehend wie ein
alter Seebär,
aber mit Kaffeetasse, so kam ich wieder hervor, denn die Barkasse legte jetzt
ab und schlingerte dabei und langsam verschwand Klaus-Dieter und ich hielt die
Kaffeetasse hoch und winkte zugleich mit der anderen Hand und Klaus-Dieter
winkte auch und dann war er außer Sicht. Und dann begann das ganze
Hummel-Hummel-Mors-Mors-Folkloreprogramm mit Speicherstadt und Gezeitenschleusen
und Schiffen und Festmachern und Stückgut und Container und Ahoi und Gute Reise
und hoch die Tassen und ich mittendrin, das ganze Schiff eine einzige
Schaukel- und Becherei und ich immer schön prost Käffchen und die ganze Zeit
ging mir nur eine Frage im Kopf herum: War das wirklich Klaus-Dieter gewesen?
Konnte es wirklich sein, dass Klaus-Dieter mich gerettet hatte? Der gute alte
Klaus-Dieter? Klaus-Dieter Hammer, der Multitoxfreak von Ottensen? Irgendwann,
wir waren gerade in einem riesigen Hafenbecken zwischen riesigen Schiffen
unterwegs, Container, Hochsee, trallala, merkte ich, dass Rosa mich beobachtete.
Sie saß zwei Leute weiter, mir schräg gegenüber. Ich hob eine Hand und winkte.
Sie lächelte und winkte zurück. Ich stand auf und holte mir noch einen Kaffee.

62. Der Schimmelreiter
    Auf der
Fahrt nach
Schrankenhusen-Borstel, zu der es dann, wie sehr manche auch versuchten, sie
hinauszuzögern, am Nachmittag doch noch kam, auf der Fahrt nach
Schrankenhusen-Borstel kam dann auch die Paranoia und ich wusste nicht, ob sie
jetzt direkt oder indirekt alkoholbedingt war, ob also die Berührung der
Zungenpapillen mit Alkohol, obwohl ich davon weder besoffen noch scharf aufs
Weitertrinken geworden war, nicht trotzdem über den physischen
Alkoholreaktionsapparat oder wie man das nennen soll, jedenfalls also physisch
bedingt die Paranoia schon in diesen geringen Mengen auslösen konnte oder ob
nicht umgekehrt die ewigen Ermahnungen und Warnungen von Werner, Gudrun und den
anderen Clean-Cut-1-Leuten, gerade auch die schlimmen Rückfallerfahrungsberichte
von Henning und Astrid und Klaus-Dieter, die ja in der Arena der Drogenerfahrungen
schon so manche Extra- und Ehrenrunde gedreht hatten, ob also eine quasi
vernunftgeborene Angst die Paranoia überhaupt erst anschob, denn angeschoben
wurde die Paranoia, das ist mal sicher: Je weiter wir von Hamburg weg- und je
näher wir auf Schrankenhusen-Borstel zufuhren, desto mehr schaukelte die Paranoia
sich hoch, stieg höher und höher wie das Wasser vor dem
Deich beim Schimmelreiter, so kam es mir vor, so sah ich das, während wir immer
weiter in das schleswig-holsteinische Quatschland hineinfuhren, ich musste
angesichts der trostlos schönen Landschaft zwischen den Meeren zwangsläufig an
den Schimmelreiter, den Deichgrafen denken, schlimm war das, da war ich nicht
scharf drauf, Schimmelreiter, das hatte ziemlich böse geendet, und schon
hinter Pinneberg war mir klar, dass es mir nicht besser ergehen würde als ihm,
ich hatte mich in die Bierfluten geworfen wie einst der Deichgraf sich in die
hereinstürzenden

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