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Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Titel: Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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schwankenden
Schwimmanleger betraten, an dem unsere Hafenrundfahrts-Barkasse lag, hatte ich
in genau dem Moment, wo ich zum ersten Mal mit beiden Beinen auf dem leicht
schwankenden Anleger stand, der von den Wellen, die für einen Fluss ganz schön
groß waren, ordentlich hin und her wackelte, hatte ich also genau in dem
Moment eine Art Flash und ich kam mir, vielleicht wegen dem schwankenden Boden
und dem starken, kalten Wind und der Sonne, die alles aus einem blauen Himmel
heraus beschien,
über den weiße Wolken jagten, ich kam mir also in dem Moment plötzlich
unfassbar frei vor, so frei, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte, weil der
Gedanke, so frei zu sein, mich sofort völlig lähmte, es gab so viele Sachen,
die ich seit Jahren nicht tun durfte und auch nicht getan hatte, dass ich
jetzt, wo ich diese unglaubliche Freiheit verspürte, überhaupt nicht wusste,
was ich jetzt machen sollte, und das Problem war natürlich, dass mir erst
einmal gar nichts einfiel, deshalb konnte ich mich nicht mehr bewegen, ich
stand auf dem Schwimmponton, ratlos, der gute alte Brain ein wild kreiselnder
Kompass, der keine magnetischen Feldlinien mehr hatte, und ich fühlte, dass es
undenkbar war, hier jetzt einfach weiterzumachen, womit auch immer, ich musste
erst die Lücke in meinem Denken, die da unversehens aufgeklafft war, mit einem
neuen Plan füllen, eine Richtung finden, in die ich gehen konnte, nachdenken,
nachdenken, nachdenken, ich blieb also einfach stehen, während die anderen, die
hinter mir gewesen waren, an mir vorbei auf die Barkasse latschten und ihre
Tickets, die wir oben, auf festem Boden noch, gekauft hatten, abreißen ließen
und an Bord einen Tisch besetzten und schon mal was zu trinken bestellten,
während ich breitbeinig und mit den Wellen mich leicht wiegend auf dem
Schwimmanleger stand und stand und stand und immer mehr Leute an mir
vorbeiliefen, und ich sah, wie Raimund in der Kajüte verschwand und mit einem
Arm voll Flaschenbier wieder herauskam und es verteilte und wie sie anstießen
und tranken, und dann stand Rosa auf und ging von Bord und zu mir her und
fasste mich am Arm und sagte: »Alles okay?«
    »Jaja«,
sagte ich. Die Berührung am Arm hatte den Zauber gebrochen, sie war etwas
Handfestes und plötzlich hatten die Dinge wieder eine Richtung, nämlich die,
in die sie mich am Arm hinter sich herzog und ich ging mit und setzte mich zu
den anderen an den Tisch und jemand rief »Mensch, Charlie, was ist denn los?«,
und ich sagte: »Musste kurz nachdenken!«, und das reichte ihnen allen als
Erklärung natürlich voll aus, Nachdenken, wegen sowas kann man schon mal in
eine Schockstarre geraten, kein Ding das, Hallihallohallöchen, hoch die Tassen
bzw. die Flaschen, und plötzlich hatte ich eine Bierflasche in der Hand und ich
weiß auch gar nicht, ob mir die einer da hineingedrückt hatte oder ob ich sie
mir selbst aus dem Flaschengewirr auf dem Barkassentisch herausgesucht hatte,
aber vollmechanisch stieß ich mit den anderen an und hob sie gerade zum Mund,
als ich, auf die gute alte Karl-Schmidt-Weise beim Ansetzen der Flasche den
Kopf langsam nach hinten biegend, oben an Land, auf uns herunterguckend und
mit offenem Mund mich anstarrend, Klaus-Dieter sah.
    Und genau
so, mit Klaus-Dieter im Blick, trank ich meinen ersten Schluck Bier nach fünf
Jahren.
    Es traf
mich wie ein Schock, ich hatte ja gar nicht darauf geachtet, was ich tat, und
als das Bier in den Mund lief, kam sofort die Angst, zugleich aber auch die
Verwunderung darüber, dass es nicht so schmeckte, wie ich es in Erinnerung
hatte, es war nicht das kühle, erfrischende, den Durst löschende Spaßgetränk,
es kam mir vor wie eine dickflüssige, süßlich-bittere Suppe, und zugleich sah
ich den Mund von Klaus-Dieter noch weiter aufgehen, Klaus-Dieter hatte den
endgültigen, ultimativen Clean-Cut-1-Schreckensmoment live mitbekommen: Einer
hatte wieder angefangen, einer war wieder drauf.
    Ich wedelte
mit dem Zeigefinger in seine Richtung, immer hin und her, wie um »nein, nein,
nein, Missverständnis!« zu sagen und spuckte das Bier über Bord, gottseidank saß ich so,
dass hinter mir gleich das Wasser war. Klaus-Dieter konnte dieses
Überbordspucken leider nur von hinten sehen, ich musste mich dazu ja umdrehen,
aber ich hoffte mal, dass er es mitgekriegt hatte, dann wedelte ich wieder
verneinend mit dem Finger, zeigte auf die Bierflasche, zeigte auf meinen Mund,
schüttelte ganz klar ablehnend den Kopf, zuckte mit den Schultern, es

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