Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
rauchte eine. Dann noch eine.
Es wurde langsam dunkel. Ich machte ein bisschen Musik an und schaute der Welt
dabei zu, wie sie sich unter Bummbumm-Klängen selbst das Licht abdrehte. Ich
hatte Durst. Dann hatte ich Hunger. Aber ich blieb eisern im Auto. Kein
Catering, keine Backstage, keine Getränkebons für mich. Als es endlich richtig
dunkel war und Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagten, legte ich mich oben aufs
Komabrett und schaute durch eine durchsichtige Dachluke in den Himmel. Ich war
todmüde, aber schlafen konnte ich nicht, ich schaute in den Himmel, in dem die
Wolken aufrissen und einzelne Sterne kurz aufblitzten und dann wieder
verschwanden, da oben war viel Wind und viel Bewegung und hier unten auch, das
Auto schwankte unter Böen, die mal von hier, mal von dort zu kommen schienen
und immer wieder kurz aufheulten, wenn sie das Auto zausten und wie Gespenster weiterjagten,
und ich fühlte mich einsam, aber es war keine unangenehme Einsamkeit, keine,
die einem die Luft abschnürt und das dunkle Gefühl reinlässt, ich hatte ja die
Windböen und das Schwanken des Autos und die gelegentlichen Sterne und eine
Zigarette hatte ich auch noch, und ich drückte die Dachluke auf einer Seite
nach oben, wodurch das Heulen des Windes stärker wurde und ich zusehen konnte,
wie der Rauch der Zigarette durch die Öffnung gesaugt wurde und sich mit den
Wolken am Himmel vermischte, bis ich so müde war, dass ich die brennende Kippe
an die Dachluke hielt, wo sie vom Unterdruck hinausgesaugt wurde, eine kleine,
funkensprühende Sternschnuppe, und ich schloss die Augen und schlief ein und
träumte von Barkassen und Bier und großen Containerschiffen, die Kaffee geladen
hatten für eine Überseefahrt nach Altona oder, wie in meinem Traum der Kapitän
zu mir sagte: »Nach Alkoholtona.«
63. Frag nicht!
Ich
wachte davon auf,
dass sich jemand auf mich legte. Es war Rosa, sie roch nach Alkohol und rüttelte
an mir herum. »Wach auf, Charlie, und gib mir einen Kuss!«
»Wie
läuft’s denn so?«
»Frag
nicht, küss mich!«
Ich küsste
sie, und der Kuss schmeckte nach Alkohol, süß und gefährlich, und wir fummelten
aneinander herum, obwohl das in dem engen Komabrett und voll angezogen, wie
wir nun mal waren, nicht viel brachte, vorausgesetzt, man neigte, was das
Fummeln betraf, zu einer »teleologischen Herangehensweise«, so hatte Erwin
Kächele, der alte Diskursgastronom, das mal genannt, in längst vergangener
Zeit, da war er mal im Notstand gewesen, nun gut, im Notstand, wer war das
nicht, wer da frei von Notstand ist, der werfe den ersten Stein, nicht aber
Rosa, denn die mühte sich eifrig, während draußen noch immer der Wind heulte
und nicht klar war, ob nun der Wind oder unsere unkoordinierten Fummelaktivitäten
das Auto so zum Schwanken brachten, sie zerrte an meinem T-Shirt in einer
Weise, dass man nicht wusste, ob sie es zerreißen oder ausziehen wollte,
wahrscheinlich egal, aber bevor sich die Sache auf die eine oder andere Art
entschied, ging unten schon die Tür auf und wir hörten
Stimmen, »Scheiße« und »Was machen wir denn jetzt?«, also hörten wir auf mit
der Fummelei und stellten uns schlafend, und da guckte auch schon Bastis Kopf
durch den Komabretteinstieg und er rief: »He, Leute, ist da oben noch Platz?
Wir sind fertig und würden gerne schlafen, bis wir abfahren.«
Und schon
kam Basti hereingeklettert ins Komabrett, »Wo ist denn hier wer?«, sagte er.
»Hau ab, du
Sau«, sagte Rosa und Basti kicherte und sagte: »Ach Rosa, du auch hier!«, und
dann kroch er ins hintere Teil des Komabretts, wo er sich zu unseren Füßen
querlegte und zusammenrollte wie ein Tier beim Winterschlaf.
»Und ich?«,
rief Holger, der jetzt ebenfalls nach oben kam. »Ich will da auch irgendwie
rein.« Er legte sich neben uns und streckte sich aus und trat dabei Basti in
die Rippen und der schimpfte und Rosa sagte »Ich halt’s nicht aus!« und ließ
sich durch die Komabrettöffnung auf die darunterliegende Sitzbank fallen und
ich hinterher, ich musste aufpassen, nicht auf sie draufzutreten, weil sie
gleich unterhalb der Komabrettöffnung sitzen blieb und sich die Haare richtete,
und dabei sah ich, dass auf der hintersten Bank schon Anja und Dubi saßen und
schliefen, Arm in Arm, halb zur Seite gekippt. Kaum war ich unten und auf der
mittleren Sitzbank, auf der Rosa saß, angelangt, drückte sie mir noch einen
Kuss auf den Mund; dann schob sie mich weg, streckte sich auf der Bank aus und
schlief ein.
Ich setzte
mich
Weitere Kostenlose Bücher