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Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Titel: Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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Über-Ich aber auch, dachte ich und musste lachen.
    »Irgendwas
lustig?«, sagte Rosa.
    »Ja«, sagte
ich.
    »Das ist
gut«, sagte sie. Ich wurde nicht schlau aus ihr. Sie hing an meinem Arm, als
habe sie nie etwas anderes gemacht, als sei das schon seit Jahren bei Regen so
üblich, ich den Schirm haltend, sie sich dranhängend, dabei fasste sie
manchmal mit der Hand nach, so als sei sie abgerutscht, was wahrscheinlich
auch ganz simpel der Fall war und auch kein Wunder bei der dicken, wasserabweisenden
Jacke, die ich trug, ich hatte sie in einem Arbeitsbekleidungsgeschäft
gekauft, das irgendwo in der Grauzone zwischen Bahrenfeld und Groß Flottbek
gelegen hatte, ich hatte zwanzig Minuten lang mit Rüdiger um den Block
kurven müssen, um es zu finden, Rüdiger hatte den Weg gewusst, aber den
Überblick verloren, und als wir endlich den Laden gefunden hatten, hatte es in
Strömen geregnet und ich hatte mir zusätzlich zum Hausmeisterkittel, den
Rüdiger mir dort anpassen wollte, gleich noch diese Jacke gekauft, sie war
hässlich gewesen und sie war hässlich geblieben, schmutzig schwarz und die
Oberfläche irgendwie wachsartig imprägniert, wahrscheinlich für
Schornsteinfeger oder Baupoliere oder was weiß ich gedacht, und es war eine
Schande, mit so etwas durch die Gegend zu laufen, man müsste mal wieder ein
bisschen Stil und Klasse entwickeln, dachte ich, während Rosa nach Schlüsseln
kramte und mich in das kleine Haus hineinließ, in dem ihre Wohnung lag, und
zwar im ersten Stock. »Vorsicht auf der Treppe«, sagte sie, als wir
hinaufstiefelten, »die ist ungleichmäßig, ich bin hier schon tausendmal auf
die Schnauze gefallen!«, und dann öffnete sie ihre Wohnung und zeigte mir mein
Zimmer. Darin war eine Matratze, ein Schrank und ein Wäscheständer.
    »Tut mir
leid, sieht nicht so toll aus«, sagte sie, »meine Mitbewohnerin ist gerade
ausgezogen.«
    Ich stellte
meine Tasche ab.
    »Erst
wollte sie unbedingt in Mitte wohnen, und dann ist sie mit irgend so einem Kerl
nach Steglitz gezogen«, sagte sie.
    »Nach
Steglitz?«, sagte ich.
    »Ja, nach
Steglitz.«
    Sie sagte
das so, als sei das das Normalste der Welt und stand in der Tür und sah mir dabei
zu, wie ich in meiner Tasche, die eigentlich ein Seesack war, den ich mal in
einem Anfall von nautischem Romantikschwachsinn in einem
Schiffsausrüstungsgeschäft am Baumwall gekauft hatte, in das Rüdiger unbedingt
gemusst hatte, um sich irgendwelche Messingbeschläge für sein Badezimmer zu
kaufen, herumwühlte, denn ich hatte noch irgendwo eine Packung Tabak, die ich
jetzt dringend brauchte, um weiter rauchen zu können, ich hatte auf all
unseren Wegen kein einziges Tabakgeschäft gesehen, nur lauter Klimbimgeschäfte,
aber geraucht werden musste, und zwar dringend.
    Rosa sah
mir beim Kramen zu, dann sagte sie: »Steglitz … – ich weiß überhaupt nicht,
wo das liegt, wo liegt das überhaupt?«
    »Irgendwo
im Süden«, sagte ich, »im Westen, also Westberlin, da fährt eine U-Bahn hin,
die Linie 9.«
    »Aha«,
sagte sie. »Das mit der U-Bahn hat meine Mitbewohnerin auch gesagt, die blöde
Kuh! Als ob das irgendwas zu bedeuten hätte.«
    Von draußen
trommelte der Regen an die Scheiben. Ich fand meinen Tabak und hielt ihn hoch.
Rosa lächelte. Ich lächelte zurück und ging zur Arbeit.

17. Wer meckert, bleibt zu Hause
    Als ich
ins Büro kam, saß
Ferdi an seinem Schreibtisch und Holger und Basti und einer, den ich nicht
kannte, saßen dabei und sprachen auf ihn ein, und als ich durch die Tür trat,
rief Ferdi, die Arme zum Himmel hebend: »Da ist er ja, gottseidank! Leute, das
ist Charlie, Charlie, setz dich her, erzähl uns was vom Leben da draußen!«
    Ich nahm
mir einen Stuhl und setzte mich dazu. »Okay, Ferdi«, sagte ich, »jetzt tu du
mir lieber einen Gefallen und erzähl mal, worum es geht und was es mit Magical
Mystery auf sich hat, aber ohne Liebe und so, die tragen wir alle im Herzen,
das ist was für heute Abend und später.«
    »Seht ihr«,
sagte er zu seinen Leuten, »so geht das! Immer frisch drauflos, der Charlie!«
    »Schon gut,
Ferdi«, sagte ich. »Und jetzt die Fakten.«
    »Wir gehen
auf Tour!« Ferdi drehte sich eine Zigarette. »Alles wie früher, wie die
Rockmusiker oder die Beatles oder Kommune 1 oder so.«
    »Gingen die
auf Tour?«
    »Charlie,
ehrlich mal, das interessiert doch kein Schwein, was die wirklich gemacht
haben! Freie Liebe, Revolution, Sex: Wir wollen das Feeling, ich meine, schau
mich an, ich bin über fünfzig, ich war

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