Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
hier, Drogen da,
so sah ich das mittlerweile, wenn ich gründlich darüber nachdachte, und das
ging hier, im »Zum Backhendl«, ganz gut, weil es zum einen ewig dauerte, bis
das Essen kam, denn obwohl nicht viel los war und obwohl der Kellner, der unsere
steirisch-wienerische Backhendlbestellung aufgenommen hatte, die ganze Zeit
immer nur in der Nähe herumstand und aus dem Fenster schaute, wir also genauer
gesagt die Einzigen in dem Laden waren, kam und kam das Essen nicht, und weil
es zum anderen so war, dass ich Rosa gegenübersitzen und mitten im Satz abbrechen
und über das Gesagte nachdenken konnte, ohne dass es peinlich war, sowas hatte
ich noch nicht erlebt, sie ließ mich einfach in Ruhe nachdenken, fragte nicht,
was los sei, wurde nicht unruhig, sie trank nur ihr Wasserglas aus,
schaute sich ein bisschen im Lokal um und rauchte eine, ohne sich auch nur zu
räuspern. Erstaunliche Frau.
»Schwer zu
sagen«, begann ich schließlich von neuem. »Ich glaube nicht, dass es nur an den
Drogen lag. Oder an der Drogenmischung, oder was es da sonst noch so an
Meinungen gab. Okay, das Saufen hat auch nicht geholfen, aber ich weiß auch
nicht, ob ich Alkoholiker war, das kann man wahrscheinlich so gar nicht sagen,
auf jeden Fall gab es noch andere Sachen, die dazugekommen sind. Ich weiß
eigentlich gar nicht, ob das mit dem Multitox …«
Ich kam
wieder ins Grübeln, und das war auch gut so, denn wenn ich vorher gedacht
hatte, dass die Multitoxsache vielleicht bloß eine unbewiesene Behauptung der
ganzen Sozial- und Psychiatrieklempner aus dem Einflussgebiet meiner Mutter
war, mit denen sie sich selbst beruhigen und den Diagnoseweg abkürzen wollten,
weil der Drogenentzug nun mal die eierlegende Wollmilchsau der psychiatrischen
Diagnose- und Therapiewelt war, zusammen mit Sport, Bastelstunden und happy
hardcore Downerpillen, wenn ich das also so gesehen hatte, dann war das
natürlich schon der erste Schritt auf dem Weg zurück zum ersten Bier des Tages
und zum Warum-nicht-auch-mal-eine-Pille-wenn’s-einem-danach-besser-geht, warum
dann nicht doch bei der Party immer schön dabei sein und ein Sektchen auf die
Charts kann nicht schaden und später eine Nase auf dem Frauenklo, denn das war
natürlich auch richtig, dass das genau die Gedanken sind, diese
Meine-Mutter-hat-sich-das-bloß-ausgedacht-mit-den-Drogen-Gedanken, die man sich
als im Trockendock liegende Ex-Spaßguerilla so zurechtlegt, um einen schönen
Grund zu haben, wieder mit allem anzufangen, was Freude macht und einem nicht
bekommt, eine typische Junkie-Strategie,
wie sie Werner immer so findig ausgemacht und an den Pranger gestellt hatte,
wenn einer im Plenum auf die Spur der Verschwörungstheorien und des
Selbstmitleids ausscherte, das hatte immer was Religiöses gehabt, auch in der
Drogentherapie gab es einen Teufel, der einem die sündigen Gedanken
einflüsterte, und der kam nur selten durch die Vordertür, aber hinten, an der
Kellertreppe, hatte immer Werner gestanden, vor allem bei Klaus-Dieter, der
immer richtig Freude daran gehabt hatte, wenn Werner ihm bei dem ganzen
Quatsch, den er auf den Plenums oder Plena oder eben, wie Klaus-Dieter selbst
ja immer sagte, »Plenata«, wenn Werner ihm also bei dem ganzen Quatsch, der da
immer so bei den Plenums aus ihm rausknatterte, mal wieder einen typischen
sündigen Drogengedanken nachwies, ein Gedankenverbrechen nach Art des Hauses
Clean Cut 1, und kaum, dass Werner ein »Da ist es ja wieder, da ist es ja
wieder« anstimmte, um ihm gleich darauf genauestens nachzuweisen, dass er schon
wieder dabei war, die Schuld auf die anderen und von sich selbst und seinem
Drogending wegzuschieben, dass er geistig schon wieder auf der schiefen Bahn
saß und im Begriff war, das Geländer loszulassen, strahlte er, also
Klaus-Dieter, schon wieder über beide Backen und nickte und sagte Dinge wie: »Da
sagst du was, Werner!« Es war Montagabend, fiel mir bei diesen Gedanken ein,
und es war ungefähr die Zeit des Plenums in Altona. Und in St. Magnus machten
sie wahrscheinlich gerade Wassertreten.
Im »Zum
Backhendl« war
jetzt aber die Zeit des Backhendls, irgendwo klingelte es und der Kellner riss
sich vom Fenster, durch das er die ganze Zeit melancholisch auf die Straße
gestarrt hatte, los und holte unser Essen, und als er wiederkam, hatte er in
jeder Hand einen Teller mit einem
Drahtkörbchen drauf und darin lagen irgendwelche Hähnchenteile.
»Wer hat
das steirische?«, fragte er.
Ich meldete
mich. Er stellte mir das
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